Blockchain & Kryptos

Blockchain Symposium in Basel – Krypto-Derby, ein Haus, das sich selbst gehört und Paradeplatz goes Stierenmarkt

Blockchain Symposium Basel 2019
Bild: Universität Basel

Patrick Comboeuf ist ins Universum des zweiten Blockchain Symposiums in Basel eingetaucht – seine Notizen zu Fakten, Meinungen und Betrachtungen.

In der Woche, in welcher die Schweizer Fussballmeisterschaft zu Ende ging, fand in der (ehemaligen) Hochburg der helvetischen Kickerszene das 2. Blockchain Symposium der Universität Basel statt.

Das Team vom Center for Innovative Finance, unter der Leitung von Prof. Dr. Fabian Schär, dem charmant-eloquenten Rockstar der hiesigen Blockchain Academia, hat ein sehr gehaltvolles Programm kuratiert. Schär, der unter anderem auch im CAS Blockchain Economy der HWZ in Zürich als Lead-Dozent engagiert ist, war mitbeteiligt am Ehrendoktor-Coup für den Ethereum Co-Founder Vitalik Buterin im November letzten Jahres, wir haben berichtet.

Das Blockchain Symposium stand dieses Jahr, vor allem im ersten Teil, ganz im Zeichen der aktuellen Debatte um die richtige Regulierung. Vor mehr als 400 geladenen Gästen und Studenten beleuchteten Dr. Thomas Dünser, Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation des Fürstentums Liechtenstein, und Dr. Michael Manz vom Schweizer Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen, mit teilweise prägnanten Voten den entsprechenden Stand und die Stossrichtungen ihrer jeweiligen Länder. 

The Liechtenstein Way: Umfassend, öffentlichkeitswirksam, aber Neuland

Das “Ländle” hat im vergangenen Sommer das Blockchain-Gesetz (Gesetz über auf vertrauenswürdigen Technologien (VT) beruhenden Transaktionssysteme (Blockchain-Gesetz; VT-Gesetz; VTG)) in die Vernehmlassung geschickt.

Am 7. Mai 2019 hat die Liechtensteiner Regierung das neue Gesetz verabschiedet. Dr. Thomas Dünser zum Thema:

«Über die Vernehmlassung haben wir viele positive, teilweise sehr umfangreiche Rückmeldungen zum Blockchain-Gesetz erhalten. Einige Vernehmlassungs-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer haben Verständnisfragen aufgeworfen, die wir im Bericht und Antrag auch angemessen beantworten wollten.»

Viele der substanziellen Eingaben befassten sich mit zivilrechtlichen Fragen und dem vorgesehenen Registrierungs- und Aufsichtssystem. Deshalb wurde der Aufbau der Vorlage angepasst (Trennung des zivilrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Teils) und die Definitionen weiter detailliert und erläutert. Das Registrierungs- und Aufsichtssystem wurde konkretisiert.

Die ursprüngliche Planung sah vor, das Gesetz bereits diesen Sommer in Kraft zu setzen. Denn in der Zwischenzeit haben auch andere Länder wie Malta, Gibraltar oder kürzlich Luxemburg begonnen, sich mit Blockchain-Gesetzen zu rühmen. Wird der Vorreiter Liechtenstein also auf der Zielgeraden noch überholt? 

«Liechtenstein wurde keineswegs überholt, wir sind das erste Land, das einen derart breiten Ansatz zur Regulierung der Token-Ökonomie umsetzt», stellt Thomas Dünser klar. Zwar hätten andere Staaten Regulierungen im Zusammenhang mit der Blockchain eingeführt, doch sie würden nur einzelne Anwendungen von Kryptowährungen oder virtuellen Assets regeln. «Unser Vorschlag eines Blockchain-Gesetzes geht viel weiter», meint Dünser.

Nun ist der Landtag an der Reihe, das Gesetz zu behandeln und es ist durchaus realistisch, dass das Blockchain-Gesetz im zweiten Halbjahr vom Landtag verabschiedet werden kann.


The Swiss Way: Innovationsförderung mit Rechtssicherheit, aber "nume nid gsprängt"

Anmerkung der Redaktion für unsere deutschen Leserinnen und Leser: "Nume nid gsprängt" ist Schweizer Mundart und meint: langsam, nur keine falsche Hast.

Dr. Michael Manz betonte in seinem Referat, dass die Politik bestmögliche Rahmenbedingungen schaffen wolle, damit sich die Schweiz als innovativer und nachhaltiger Standort für FinTech- und DLT-Unternehmen etablieren und weiterentwickeln könne. Gleichzeitig sollen Missbräuche konsequent bekämpft werden, um die Reputation des Finanz- und Wirtschaftsplatzes Schweiz zu gewährleisten.

Die Gesetzesvorlage zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register, welche anfangs Jahr in die Vernehmlassung geschickt wurde, soll die Rechtssicherheit erhöhen, die Hürden für auf der Distributed Ledger-Technologie (DLT) basierten Anwendungen beseitigen und Missbrauchsrisiken begrenzen.

Bereits Ende 2018 veröffentlichte der Bundesrat einen ausführlichen Bericht zur Rechtslage rund um DLT in der Schweiz. Der Bericht habe gezeigt, dass der schweizerische Rechtsrahmen heute schon gut geeignet sei, mit diesen neuen Technologien umzugehen. Dennoch gäbe es punktuellen Handlungsbedarf, wie Manz erläutert.

Bei den Anpassungen im Obligationen-, Konkurs- und Finanzmarktinfrastrukturrecht soll unter anderem die Möglichkeit einer elektronischen Registrierung und Übertragung von Rechten geschaffen werden, ähnlich wie dies im "traditionellen" Bereich die Wertpapiere gewährleisten würden.

Im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs soll die Aussonderung kryptobasierter Vermögenswerte im Falle eines Konkurses geregelt werden. Ausserdem will der Bundesrat im Finanzmarktinfrastrukturrecht eine neue Bewilligungskategorie für DLT-Handelssysteme schaffen. Diese sollen regulierten Finanzmarktakteuren sowie Privatkunden Dienstleistungen in den Bereichen Handel, Abrechnung, Abwicklung und Verwahrung mit DLT-basierten Vermögenswerten anbieten können.

Schliesslich soll es künftig möglich sein, auch für den Betrieb eines organisierten Handelssystems eine Bewilligung als Wertpapierhaus zu erhalten. Realistisch betrachtet müssen Crypto Valley Community und Anleger aber wohl noch bis 2021 warten, bis die politischen Mühlen das Schrot und Korn der Rechtssicherheit für DLT-Anwendungen fertig gemahlen haben.

«Speed ist für Investoren und Jungunternehmen zweifellos die bevorzugte Währung», meint denn auch die Rechtsanwältin Dr. Cornelia Stengel, Partnerin bei Kellerhals Carrard und Mitglied der bundesrätlichen Expertengruppe zur DLT-Gesetzgebung, fügt jedoch an: «Für den Wirtschaftsstandort ist eine nachhaltige und kluge Regulierung hingegen von zentraler Bedeutung».

Das will heissen: die Herausforderung für den Gesetzgeber besteht auch darin, den Spagat hinzukriegen zwischen den Ansprüchen tempoorientierter FinTechs sowie Kunden und etablierten Finanzinstituten, welche nachhaltiger Rechtssicherheit mehr Gewicht geben als "Schnellschüssen".

Liechtenstein - Schweiz: Unentschieden

Die beiden Ansätze unterscheiden sich zwar voneinander, bieten aber für das jeweilige Ökosystem mehr Chancen als Gefahren. Die geographische Nähe des Fürstentums mit ihrem Verbündeten jenseits des Rheins, lässt gerade für aufstrebende Jungunternehmen und Neu-Ansiedler aus dem Ausland auch spannende "The best of both worlds"-Modelle zu. Das Krypto-Regulierungs-Derby geht also in die Verlängerung.

Dezentrum: Neues Denken und Handeln

Ein schöner Kontrast zur Regulierungsdebatte war der Beitrag von Lukas Hess und Ozan Polat vom Think Tank Dezentrum. Mit ihren Projekten "no1s1" und "Satelleth" geben sie Dezentralisierung und DAOs ein verständliches Gesicht.

"no1s1" ist ein Haus, das niemandem gehört und sich selbst verwaltet. Eine radikal neue Art, Raum zu denken. Sämtliche Inhalte und Infrastruktur werden in partizipativen Experimenten organisiert, gestaltet und finanziert. Das Haus, bekannt von der Expo 02 auf der Arteplage Murten, war Teil des von Jean Nouvel konzipierten Ensembles mit dem Monolithen und den Cabannes. 

"Satelleth" wiederum ist eine Blockchain-basierte autonome Entität (auch DAO – Decentralized Automonous Organization genannt), welche sich selbst besitzt, verwaltet und eigenständig mit ihrer Umwelt interagiert. Ein spielerisches Anschauungs- und Forschungsobjekt, mit dem die Funktions- und Wirkungsweisen von autonomen Entitäten erkundet werden können.


Einigkeit in der Panel-Diskussion

In Punkto Kontroverse konnte das etwas zu homogen zusammengestellte Panel zum Abschluss nicht mehr ganz mithalten. Im von Semih Kaçan, Trust Square-Mitgründer und SportTech Entrepreneur, launig moderierten Gespräch, waren sich die Teilnehmer weitgehend einig. Eine wichtige Erkenntnis, die aber hängen bleibt, ist folgende:

Die Blockchain Community soll sich weniger um die “Crypto-isierung” des Status Quo und der "Bankable Assets" kümmern, sondern mit innovativen Modellen die Potenziale des unter der Wasseroberfläche liegenden riesigen Teils des Asset-Eisbergs erschliessen. Neben den vielfältigen non-bankable Assets bieten da insbesondere die gegen Null tendierenden Transaktionskosten für Micro-Interaktionen und Payments (zum Beispiel über Off-Chain-Konzepte wie das Lightning Netzwerk) einen fruchtbaren Nährboden, die Zukunft neu und kundenrelevant zu denken. 


Hoffnung zum Schluss, die durch Taten genährt werden muss

Und zu guter Letzt war da auch noch Hoffnung. Die Hoffnung, dass die Schweiz aus der Geschichte lernt. Wenn wir verhindern wollen, dass gute Arbeitsplätze und Wertschöpfung nicht wie in der Vergangenheit (zum Beispiel Eurobonds oder SICAV) in andere Finanzzentren abwandern, tun wir gut daran, die Entwicklung rund um Krypto-Assets, Tokenisierung et al. rasch und entschlossen voranzutreiben.

"Amen" – wie es Prof. Dr. Schär nach seinen Dankesworten zum Abschluss dieses stimmigen Symposiums zu Basel wohl innerlich auch gedacht haben mag.

Der Autor: Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf, Associate Editor bei MoneyToday.ch, ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley, dem Zentrum der digitalen Welt.

Seit 2013 engagiert am Institute for Digital Business der HWZ, unter anderem als Director of Studies für den Lehrgang CAS Digital Leadership. Als Vorstandsmitglied der Fintechrockers sowie als Partner der Crypto Advisory Group unterstützt er etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups dabei, ihre eigene Geschäftstätigkeit friktionsfrei in digitalen Ökosystemen und in der Blockchain zu verankern.

Als früherer CTO bei Ifolor, Head of Digital Experience bei Swiss Life und als Leiter Digital Business bei den SBB, war Patrick Comboeuf federführend verantwortlich für eine Vielzahl digitaler Initiativen. Er teilt sein Wissen gerne sozialmedial auf LinkedIn und Twitter, zudem ist Patrick ein gefragter Keynote Speaker, Moderator und Panelist auf Konferenzen im In- und Ausland.