Warum das Swissploitation-Projekt "Mad Heidi" das Potenzial hat, Filmförderung und Filmfinanzierung über Blockchain und Crowdfunding zu verändern.
Zuerst zur siebenten Kunst, also zum Film, und erst danach zum Technischen von Crowdfunding bis Blockchain und Smart Contracts. Für jene, denen das Filmgenre “Exploitationfilm” wenig sagt, hier die kurze Erklärung aus Wikipedia:
“Exploitationfilm (von engl. exploitation → "Nutzbarmachung" oder auch "Ausbeutung") ist eine kategorisierende Bezeichnung für Filme, die reisserische Grundsituationen ausnutzen, um mittels der exploitativen Darstellung, vornehmlich von Sex und Gewalt, über die damit erreichten Schauwerte affektiv auf den Zuschauer zu wirken.”
Mad Heidi macht Exploitation zu Swissploitation
Ein Schweizer Exploitationfilm kombiniert mit der traditionellen Schweizer Figur Heidi, ergibt folglich ein neues Genre: Swissploitation. Und genau dieses Genre, der Film mit dem Titel "Mad Heidi", wurde am diesjährigen Zürcher Filmfestival vorgestellt. Dazu ist eine Truppe von angsteinflössenden Regime-Soldaten zusammen mit einer aufreizend gewandeten Heidi, welche den Widerstandskampf gegen das fatale Regime von neuen Machthabern anführt, durch die Zürcher Innenstadt marschiert – der revolutionäre Stoff, um arglose Passanten zu schockieren.
Ein Actionfilm als Polit- und Heimatfilm-Parodie
Das Drehbuch folgt der Spur eines klassischen Actionfilms: Der Geissen-Peter, die grosse Liebe der Hauptfigur Heidi, wird vom Bösewicht und seinen Soldaten meuchlings ermordet. Heidi dürstet nach Rache und beginnt ihren Feldzug als Widerstandskämpferin gegen das Regime, das in der Schweiz die Macht übernommen hat.
Der Film oder zumindest der Trailer ist dermassen überzeichnet und übersteuert mit eher speziellen Gewaltszenen, welche die Parodie auf den ersten Blick deutlich machen, ohne ins Film- und Kino-Lexikon schauen zu müssen. Und genau das macht diesen Film und auch das Genre interessant, man kann darüber lachen.
Eine Szene des Trailers zeigt, wie der böse Anführer des Regimes bei einem Gefangenen mit Laktoseintoleranz die Foltermethoden variiert. Der Bösewicht verzichtet auf Waterboarding, er greift diabolisch zum Mittel des Fondue-Boarding, um ein Geständnis zu herauszupressen.
Auch sonst wir gemordet, was das Zeug hält, das Blut fliesst in Strömen, mit zu den bevorzugten Mordinstrumenten gehören Schweizer Schokoriegel.
Wer sich einen Vorgeschmack auf Swissploitation und die Schweizer Actionkomödie holen will, der Trailer verrät mehr.
Filmförderung und Finanzierung von Independent-Projekten über Crowdfunding
Die Produzenten Tero Kaukomaa und Valentin Greutert zusammen mit dem Director Johannes Hartmann wollen aber nicht nur eine neues Genre etablieren, sondern auch in der Filmfinanzierung, in der Distribution des Films und im Verteilen der Erträge neue Filmgeschichte schreiben.
Das Ziel des filmemachenden Trios: Ihr Film soll wirklich "independent" produziert werden. Ohne sich von der grossen Unterhaltungsindustrie abhängig zu machen. Und ohne staatliche oder sonstige Filmförderung, deren Exponenten in der Regel auch beim Drehbuch, Drehort, beim Plot, bei den Charakteren und manchmal sogar bei der Besetzung mitreden wollen. Wirklich independent eben. Deshalb Crowdfunding plus Technologien, welche Filmemachern neue Möglichkeiten auf neuen Wegen eröffnen.
Zuschauer werden zu Produzenten und Investoren
Das weltweite Crowdfunding wurde mit einem Gala-Event am Zürcher Filmfestival offiziell gestartet. Neu hat jeder und jede Einzelne die Möglichkeit, einen Film möglich zu machen und damit auch die Rolle des (Co-) Filmproduzenten zu übernehmen.
Allerdings: Filmproduzenten und Investoren geben ihr Geld nicht nur aus purer Liebe zu Kunst und Kino aus, sie wollen auch einen Return on Investment, also eine Rendite haben. Swissploitation Films löst das über Blockchain und Smart Contracts. Sämtliche Einzahlungen ab CHF 500.– über das laufende Crowdfunding sowie auch sämtliche eingespielten Erträge werden über die Distributed-Ledger-Technologie erfasst und über Smart Contracts organisiert.
Fliesst bei der Verwertung des Films Geld, erhalten Investoren die ihnen zustehenden Anteile an den Erträgen automatisch. Fair und fehlerfrei, ohne menschliche Interaktion. Für die Technologie auf der Blockchain und für die Abwicklung der Verträge steht das spezialisierte britische Startup Film Chain.
Das Videogame zum Film
Die Organisatoren haben ein Erklär-Videogame produziert und an der Medienkonferenz vorgestellt. Bei jedem Level, das man erreicht, werden weitere Informationen über die Vorgehensweise geliefert. Das Spezielle an diesem Game, es ist im Stil der ersten Arcade-Spiel-Automaten gehalten. Die Video-Auflösung sowie der Sound sind der krückenhaften 8-Bit-Technologie der 1980er- und 1990er-Jahre nachempfunden, lässt Spieler in Reminiszenzen schwelgen und deshalb macht das Game Spass.
Fazit
Wer Mad Investor beim Filmprojekt Mad Heidi wird, macht das Projekt dadurch erst möglich. Über das aktuelle Projekt hinaus ist diese Schiene jedoch möglicherweise grundsätzlich ein interessanter Weg zur Förderung unabhängiger Filmprojekte.
Independent-Filmprojekte stossen bei den klassischen Wegen der Filmförderung und Finanzierung oftmals an Grenzen. Wer nicht bereits etabliert ist und einen Namen hat oder "im Kuchen" sitzt, bleibt nicht selten aussen vor. Wer Gelder bekommt, muss oftmals Kompromisse in Inhalt und Drehbuch machen, weil Geldgeber mitreden wollen.
Das Experiment von Swissploitation Films in Kooperation mit den Blockchain-Spezialisten von Film Chain ist deshalb ein spannender Modellfall, um auszuloten, ob eine professionell aufgezogene Filmförderung über die Crowd funktionieren kann. Die Macher der "Action-Adventure-Horrorkomödie-Interpretation" von Heidi sagen:
Wenn du Mad Max, Kill Bill oder Iron Sky mochtest, dann wirst du Mad Heidi lieben
Um diese Liebe möglich zu machen, haben die Produzenten 2 Millionen Schweizer Franken im Visier. Die erste Million muss über das Crowdfunding bis 31. Dezember 2020 eingespielt worden sein, sonst werden die Investments zurückerstattet. Bisher (12. Oktober 2020) sind CHF 375'500 einbezahlt worden.