Blockchain Nation Switzerland

Im Crypto Valley rückt Skalierbarkeit in den Fokus

Das Crypto Valley
Bild: Mike Pellinni | Getty Images

Blockchain, Bitcoin, ICOs, Technologien und die Blockchain Nation Switzerland – eine Auslegeordnung und Gedanken zu aktuellen Entwicklungen von Patrick Comboeuf.

Auch wenn der Bitcoin-Kurs im Jahresvergleich noch immer mehr als 50 Prozent (!) im Plus liegt, von den kurz vor Weihnachten erklommenen Höchstständen sind wir ziemlich weit entfernt. Mittlerweile hat sich die im Zuge dieses Gold- bzw. Coinrush’ entstandene Euphorie bei den auch hierzulande zahlreich lancierten Initial Coin Offerings (ICOs) etwas abgekühlt.

Nicht zuletzt, weil eben nicht nur (Jung-)Unternehmen mit ausgereiften Konzepten auf diese aufstrebende Art der Wachstumsfinanzierung gesetzt haben. Gerade die schwarzen oder zumindest dunkel angegrauten Schafe mit meist nur schwach getarnten Scams oder Ponzi-Schemes haben beim einen oder anderen (erfahrenen) Investoren für Stirnrunzeln gesorgt und wohl auch zu Zurückhaltung gegenüber dem überhitzten Markt geführt.

Das bedeutet aber weder etwas grundlegend Schlechtes noch das mancherorts herbeigeschriebene Ende dieser oft smarten digitalen Interpretation des im Portfolio der Finanzindustrie schon länger etablierten Partizipationsscheins, neu angereichert mit hippen Crowdfunding-Elementen.

Ein Hoch auf Roy Amara (selig)!

Wir leben in einer Epoche, wo sich digitale Technologien und Konzepte mit den prominentesten Platz in der wirtschaftlichen Wertschöpfung erarbeitet haben. Dezentrale Architekturen wie Crypto Assets auf Basis der Blockchain-Lösungen versprechen da und dort sogar nicht weniger als die nächste Stufe dieser digitalen Revolution.

Das nach dem bekannten amerikanischen Forscher und Futuristen Roy Amara benannte Gesetz, wonach wir dazu tendieren, die Auswirkung neuer Technologien kurzfristig zu überschätzen, langfristig aber zu unterschätzen, gilt ganz besonders hier.

Aktuelle Transaktionsraten von Bitcoin oder Ethereum, den beiden grössten Crypto-Plattformen, sind aktuell so tief, dass die Skalierung für Mainstream-Anwendungen wie Zahlungsverkehr, automatisierten Internet of Things (IoT) oder Smart Contract-Prozessen nicht ansatzweise realistisch scheint. Das nun gedimmte ICO-Scheinwerferlicht gibt dem Crypto Valley bzw. der von Bundesrat Johann Schneider-Ammann propagierten Blockchain Nation Switzerland auch Raum, sich der Weiterentwicklung nutzenstiftender Anwendungen zu widmen. Insbesondere die vor allem medial gern und oft ins Feld geführten Defizite wie Kapazitätslimiten, hoher Energieverbrauch und mangelhafte Skalierbarkeit rücken dabei verstärkt in den Fokus. 

Vielversprechende Initiativen auf Basis von Off-Chain und Distributed Hash Table-Konzepten

Eine Bitcoin-Transaktion verbraucht die gleiche Menge Strom wie zwei Schweizer Haushalte pro Tag. Ferner ist die Kapazität mit gerade mal sieben Transaktionen pro Sekunde zu gering. Und schliesslich dauert die Bestätigungszeit einer Überweisung bis zu zehn Minuten. Technische Entwicklungen wie das Lightning Network schaffen hier Abhilfe. 

«Die Kapazitätsgrenzen von Bitcoin wurden bisher zwar noch nicht erreicht, dem Anspruch als Zahlungssystem zur Verarbeitung von Milliarden Transaktionen genügt das Bitcoin-Netzwerk aber nicht ansatzweise», sagt Dani Fricker von der Zürcher Crypto Advisory Group.

Verhindert wird eine umfängliche Skalierung der Bitcoin-Blockchain durch zwei grundsätzliche Probleme: Erstens wird jede einzelne Bitcoin-Transaktion im Hauptbuch – der Blockchain – verbucht, und zweitens müssen alle Zahlungen vom gesamten Netzwerk geprüft werden. Dies bringt zwar hohe Transparenz und Sicherheit mit sich, beeinträchtigt aber die Leistungsfähigkeit der Blockchain.«Das ist ungefähr so, als ob jede E-Mail an sämtliche Mailboxen im Internet verteilt würde, und der Empfänger muss die an ihn gerichteten Mails erst herausklauben», erklärt Fricker.

Dies sei äusserst ineffizient und verhindere den Einsatz von Bitcoin als massentaugliches Zahlungssystem. Dem steht auch die Volatilität der Transaktionsgebühren im Weg. Das Design der Bitcoin-Blockchain führte unlängst dazu, dass Transaktionsgebühren und Ausführungszeiten in die Höhe schossen. Zum Höhepunkt Ende Dezember 2017 konnte eine Zahlung auch mal 30 USD an Gebühren kosten und einige Stunden oder Tage in Anspruch nehmen. Da diese Kosten nicht proportional, sondern per Transaktion anfallen, wurde eine Zahlung mit Bitcoins für kleine Beträge plötzlich uninteressant. Bitcoin-Anhänger setzten daher auf eine technologische Weiterentwicklung abseits der Haupt-Blockchain. Mit der Einführung des sogenannten Lightning-Netzwerkes (LN) in der Offchain wird insbesondere die Nutzbarkeit als Zahlungsmittel im Alltag erhöht. 

An ihrem September Meetup hat sich auch die Bitcoin Association Switzerland unter ihren umtriebigen Vorstandsmitgliedern Lucas Betschart und Roger Darin des Themas angenommen.

Dr. Christian Decker von der ETH Zürich, der Stargast des Abends, machte in seinem Referat unmissverständlich klar:

Das Lightning-Netzwerk verspricht den Vorteil einer quasi unbeschränkten Skalierung von Bitcoin-Zahlungen

Bitcoin-Zahlungen werden nicht mehr direkt in der Bitcoin-Blockchain verbucht. Stattdessen soll zwischen zwei Parteien ein Zahlungs-Kanal eröffnet werden, über welchen auch Kleinstbeträge mit vernachlässigbaren Gebühren abgewickelt werden können. Wird der Kanal wieder geschlossen, bucht das System die jeweiligen Salden der Partner und nicht die einzelnen Transaktionen zurück in die Bitcoin-Blockchain.

Holochain-Indexierung reduziert Datenvolumen

Ein anderer, aber nicht weniger interessanter Ansatz, basiert auf der sogenannten Holochain, welche sich als eine hocheffiziente Alternative zu herkömmlichen Blockchain-Lösungen positioniert. Ähnlich wie eine Blockchain verwendet auch die Holochain kryptografische Methoden, um Daten sicher und unfälschbar zu machen. Im Gegensatz zu einer Blockchain braucht die Holochain dazu aber keinen sogenannten Konsens-Algorithmus, der Blockchains zwar sicher macht, sich diese Sicherheit aber mit enormen Energieaufwand und einer gewissen Trägheit des Systems erkaufen muss.

Im Zentrum der Holochain steht der Benutzer. Seine Daten, beispielsweise ein Börsenauftrag, bleiben jederzeit vollumfänglich in seinem Besitz. Für den direkten Austausch mit anderen Benutzern werden sie verschlüsselt, indexiert und so der sogenannten Distributed Hash Table (DHT) hinzugefügt. Die DHT ist also ein Index und beinhaltet Verweise auf sämtliche Benutzerdaten, ohne dass die Daten selbst auf allen Computern repliziert werden müssen.

Alle Benutzer halten eine aktualisierte Kopie der DHT und verwenden diese, um bei Bedarf und entsprechender Berechtigung auf die eigentlichen Daten zuzugreifen. Die integrierte Hashing-Technik stellt dabei sicher, dass die übertragenen Daten genau dem entsprechen, was angefordert wurde. Ein unerkanntes Fälschen der Daten ist damit unmöglich.

Die Holochain ist durch die Verwendung von DHTs massiv skalierbar, exponentiell schneller, weitaus energieeffizienter und um Faktoren billiger als herkömmliche Blockchains. DHTs werden auch in hochsicheren Systemen wie dem Bitorrent-Netzwerk erfolgreich eingesetzt. Das junge in Liechtenstein domizilierte Unternehmen Calidris Fintech AG arbeitet aktuell an einem Ökosystem, welches diese massiven technologischen Vorteile sowohl in Form einer ICO-Plattform als auch als Börse für den Handel von Coins und Tokens ihren Kunden zur Verfügung stellt.

«Die Kosten für einen ICO betragen mittlerweile oft eine siebenstellige Summe. Für die Mehrheit der vielversprechenden Blockchain-Projekte aus dem Crypto Valley wird die Wachstumsfinanzierung über ICOs mittelfristig zur Illusion. Über eine smarte technische Plattform auf Basis von Holochain entschärfen wir den Kostentreiber "Technologie" massiv.», führte Calidris Co-Founder Mike Lüscher kürzlich an einer Veranstaltung der Crypto Valley Association aus.

Konkrete Use Cases sind wichtig, um Erfahrungen zu sammeln

Offchain-Konzepte und verteilte Hash-Tabellen können für die Nutzer dezentraler Plattformen wie der Blockchain Skalierungsvorteile und neue Möglichkeiten bieten. Doch auch hier gibt es noch den einen oder anderen Stolperstein zu bewältigen.

Das Hauptproblem liegt in der Sicherheitsfrage und der Aufrechterhaltung des Konsenses mit einem geeigneten Nachweis. Die bisher existierenden Vorschläge sind nicht vollständig ausgereift und haben da und dort noch Schwächen.

Umso wichtiger ist es gerade für die ambitionierte Agenda der Blockchain Nation Switzerland, mit attraktiven Use Cases rasch Erfahrungen zu machen und in die steileren Ecken der Lernkurve vorzudringen. Mike Lüscher strahlt Zuversicht aus:

«Wir sind uns der noch nicht gelösten Fragen absolut bewusst. Im Rahmen unserer Projektarbeit entdecken wir aber praktische jeden Tag neue mögliche Lösungsansätze.»

Wie er glauben auch andere Entwickler und Forscher in der globalen Blockchain Community, dass diese Probleme lösbar sind. Roy Amara würde ihnen gerade in diesem Punkt zweifellos beipflichten.

Der Autor: Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf, Associate Editor bei MoneyToday.ch, ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley, dem Zentrum der digitalen Welt.

Seit 2013 engagiert am Institute for Digital Business der HWZ, unter anderem als Director of Studies für den Lehrgang CAS Digital Leadership. Als Vorstandsmitglied der Fintechrockers sowie als Partner der Crypto Advisory Group unterstützt er etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups dabei, ihre eigene Geschäftstätigkeit friktionsfrei in digitalen Ökosystemen und in der Blockchain zu verankern.

Als früherer CTO bei Ifolor, Head of Digital Experience bei Swiss Life und als Leiter Digital Business bei den SBB, war Patrick Comboeuf federführend verantwortlich für eine Vielzahl digitaler Initiativen. Er teilt sein Wissen gerne sozialmedial auf LinkedIn und Twitter, zudem ist Patrick ein gefragter Keynote Speaker, Moderator und Panelist auf Konferenzen im In- und Ausland.