Digitales Banking

Wie fit ist New York beim bargeldlosen Bezahlen?

Fabian Lehner, FinTech Connector

Gastautor Fabian Lehner macht sich beim bargeldlosen Bezahlen in New York Gedanken zum digitalen Banking und zu den aktuellen Defiziten.

Kürzlich hat es mich erneut in "die Stadt, die niemals schläft" gezogen. Durch die unzähligen blinkenden Lichter, die vielen Gerüche und ständigen Lärmemissionen werden meine Sinne im grossen Apfel Tag und Nacht bei Laune gehalten. Eine Stadt, in welcher ich jederzeit und überall meine Wünsche und Bedürfnisse befriedigen kann. Konsumgüter sind demnach immer in unmittelbarer Umgebung erreichbar. Neben der riesigen Auswahl an Produkten, bietet NYC auch unendlich viele Zahlungsmöglichkeiten an.

Bargeldlos geht immer

Mein Ziel ist es, bargeldlos zu reisen. Das bedeutet für mich, vor dem Reisen keine ausländische Währung organisieren zu müssen sowie einen schnelleren Bezahlvorgang. Mein Smartphone oder meine Smartwatch ersetzt für mich das lästige Abzählen der Dollarscheine. Ich verwende die Revolut-App, mit der ich ganz einfach Geld von Schweizer Franken in eine beliebige Währung umtauschen kann.

Revolut nutze ich übrigens auch in meinem Heimatland, der Schweiz. Leider muss mein Kreditkarteninstitut aufgrund der sehr traditionellen Systemausrichtung noch an einem ähnlichen Service arbeiten.

Während meines Aufenthalts in New York konnte ich mich bis auf drei Dollar Trinkgeld für die Gepäckaufbewahrung völlig bargeldlos bewegen. Für die Transaktion am 15 Minuten entfernten Geldautomaten bezahlte ich satte vier Dollar – ausser den zusätzlich verbrannten Kalorien ein eindeutiges Minusgeschäft! 

Kontaktlos gehört nicht zum Standard

Beim Bezahlen in den Geschäften bemerkte ich, dass Mitarbeiter die Kunden jeweils anwiesen, ihre Kreditkarten ins Bezahl-Terminal einzuführen. Aufgrund der Pineingabe dauert dieser Vorgang viel länger als das kontaktlose Bezahlen mit Kreditkarte. Dieser "Umweg" mindert also die Effizienz beim Bezahlvorgang an der Kasse. Dies mag nicht als Beispiel für das entscheidendste Problem unseres Bankensystems dienen, es zeigt jedoch deutlich auf, weshalb hochentwickelte Länder im Rennen um die Einführung von Finanztechnologien trotzdem zurückbleiben werden.

Revolution vs. Evolution

Gemäss einem Report von Worldpay aus dem Jahre 2018 dominieren chinesische Mobile Wallets alle anderen Ländern weltweit. China durchlebt zurzeit eine digitale Revolution, während sich Länder wie die USA und die Schweiz eher in einer Evolution befinden. Gründe für diese unterschiedlichen Entwicklungen und Prioritätensetzungen liegen möglicherweise im Wohlstand sowie im Überangebot an Finanzdienstleistungen in den westlichen Industrieländern. Wie es scheint, sind die Kunden in den genannten Ländern immer noch bereit, für die unzähligen Finanzdienstleistungen zu bezahlen, ohne dass sie sich in ihrer finanziellen Existenz bedroht fühlen. 

Ausnahmen gibt's auch

Natürlich bestätigt auch hier die Ausnahme die Regel – an bestimmten Orten in New York trifft man moderne Finanztechnologien durchaus an. Mein bestes Zahlungserlebnis hatte ich mit Square – ein weisses Tablet zur selbständigen Durchführung des Self-Checkout. Es liegt sogar in meiner Entscheidung, die Quittung per Mail zu erhalten oder gar nicht erst auszudrucken. Diese effiziente und ökonomische Zahlungsmethode wurde bis heute leider viel zu selten implementiert.

Digitales Banking oder Besuch der Bank-Filiale?

Als ich mit einem New Yorker Geschäftsmann zufällig an einer Anzeige von N26, einer deutschen Online-Bank, vorbeikam, erklärte er mir, dass er den Namen noch nie gehört habe – er und seine Freunde würden immer noch eine physische Filiale aufsuchen, um ihre Bankgeschäfte zu erledigen.

Es fehlt offensichtlich an Wissen über die bereits existierenden Angebote im Bereich FinTech sowie ein direkter und einfacher Zugang für die Bevölkerung zum digitalen Banking. 

Gründe für die schleppende Entwicklung der Digitalisierung

Ein Grund, warum die Digitale Transformation im Bankwesen nur langsam Einzug hält, liegt einerseits in den veralteten IT-Systemen.

Die Zurückhaltung gegenüber der Digitalisierung hat jedoch auch mit den Entscheidungsträgern zu tun, die weiterhin beträchtliche Einnahmen aus dem traditionellen Bankgeschäft erzielen. Vielleicht ist es die Angst vor dem Wandel, welche den dringend benötigten Paradigmenwechsel in Richtung des digitalen Bankgeschäfts nicht zulässt.

Banken, welche als erste in ein neues Kernbankensystem oder in innovative FinTech-Projekte investieren, riskieren möglicherweise kurzfristig einen Rückgang des EBIT. Diese Befürchtung vor einer Einbusse verhindert zurzeit leider eine langfristige Sichtweise im FinTech-Bereich.

Verpassen westliche Industrienationen den Anschluss?

Immer mehr FinTechs streben danach, neue Dienstleistungen zu entwickeln, welche die aktuellsten Kundenbedürfnisse abdecken. Die Kundschaft scheint sich vorzugsweise für praktische Finanzdienstleistungen zu interessieren, welche einfach in der Handhabung sind.

Während Banken (noch) von ihrem treuen Kundenstamm profitieren, wird eine beträchtliche Mehrheit dieser Kunden künftig damit beginnen, einen anderen Service zu einem günstigeren Preis zu nutzen.

Die FinTech Communities, Enthusiasten und Evangelisten haben in ihrer Minderheit aktuell wenig Einflussmöglichkeiten. Damit wir westlichen Industrieländer und auch die USA weltweit nicht den Anschluss verpassen, liegt es in der Pflicht des traditionellen Bankers, sich im Bereich FinTech weiterzubilden und sein erarbeitetes Know-how einerseits in seinem Arbeitsumfeld einzubringen und andererseits seiner Kundschaft massgeschneiderte, günstige und effiziente Finanzdienstleistungen anzubieten!

Ich bin zuversichtlich, dass ich im Sinne von "Metcalfe’s Law" dazu beitragen kann, den unabdingbaren Nutzen von Innovationen im Bereich FinTech weiter voranzutreiben, um die noch bestehende Zurückhaltung und Tradition im Bankenwesen zu überwinden und damit die Zukunft der Finanzbranche zu sichern.

So let's connect, collaborate, and also educate to cultivate fintech ideas for impact. 

Der Autor: Fabian Lehner

Fabian Lehner ist seit 15 Jahren in der Finanzbranche tätig und war zuletzt Vizedirektor im Private Banking. Seinen Master "Private Banking & Wealth Management" am IFZ in Zug hat er mit einer Thesis zum Thema Venture Capital und Innovationen in der Schweiz abgeschlossen.

Fabian ist immer mehr in die Startup Welt eingetaucht und hat sich aufgrund seines Backgrounds auf das Thema FinTech spezialisiert. Dazu hat er 2019 an der Oxford Universität eine Weiterbildung im Bereich FinTech und Blockchain abgeschlossen. Aktuell arbeitet er für einen Private Equity Fonds und bringt sein gewonnenes Wissen im Bereich neuer Technologien ein. 

Zusätzlich ist Fabian als Community Partner Schweiz bei FinTech Connector engagiert, einer Online-Plattform, welche "Enablers" und "Innovators" zusammenbringt – mit dem Ziel, gemeinsam FinTech-Ideen zu entwickeln und voranzutreiben, nicht nur online, sondern auch in der realen Welt.

Deshalb organisiert FinTech Connector laufend weltweit Events zu relevanten Themen im Bereich von Innovationen in der Finanz-Industrie. Fabians Mission dabei: im Sinne der Aufklärung ein Bewusstsein für das Thema FinTech und die Relevanz für sämtliche Banker zu schaffen.

Einmal im Jahr führt Fabian zudem Schüler eines Gymnasiums durch die Wirtschaftswoche und bringt ihnen das Thema Wirtschaft näher.