Kontowechsel im Aufwind

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In Deutschland tritt eine weitere Tranche des Zahlungskontengesetzes in Kraft und erhöht den Konkurrenzdruck.

Ein Kontowechsel war für Bankkunden auch bisher grundsätzlich jederzeit möglich. Allerdings mit Hürden und Steinen gepflastert, deshalb eher selten praktiziert. Wer von einem Finanzinstitut zu einer anderen Bank wechseln wollte, musste dafür arbeiten. Lastschriften, Daueraufträge und regelmässige Zahlungseingänge mussten mühsam rausgefischt werden, um die neue Bank mit den periodischen Automatismen und "Regelmässigkeiten" beauftragen zu können. Das ist Vergangenheit, neu stehen dafür die Banken in der Pflicht.

Das Zahlungskontengesetz

Mit dem Zahlungskontengesetz gelten in Deutschland seit 19. Juni 2016 verschiedene neue Vorschriften, welche das Recht auf ein Basiskonto für jedermann, Transparenz bei Entgelten und weitere Punkte regeln.

Ein Passus dieser Gesetzessammlung tritt erst am 18. September 2016 in Kraft, der neue Bewegung in die Kunden- und Bankenlandschaft bringen wird: die Regelungen zum Kontenwechsel. Das neue Gesetz schreibt Banken im Detail vor, wie der Wunsch von wechselwilligen Bankkunden zu erfüllen ist:

  • Initialisierung
    Die neue Bank ist verpflichtet, innerhalb von zwei Tagen mit dem bisherigen Finanzinstitut Kontakt aufzunehmen.
  • Transfer der Informationen
    Das bisherige Finanzinstitut wiederum ist verpflichtet, innerhalb von fünf Tagen der neuen Bank sämtliche Aufträge der letzten 13 Monate zukommen zu lassen.
  • Übernahme der Daten auf das neue Konto
    Danach hat die neue Bank fünf Tage Zeit, sämtliche ein- und ausgehenden Überweisungen sowie die bestehenden Lastschriften des Kontoinhabers zu übernehmen.
  • Kontowechsel abgeschlossen nach 12 Tagen
    Innerhalb von insgesamt 12 Arbeitstagen soll das neue Konto fix und fertig eingerichtet sein und dem Kontoinhaber mit allen Informationen zur Verfügung stehen.

Nicht ganz unbrisant: Verletzt eine der beiden involvierten Banken die neuen Pflichten, dann haften die übertragende und die empfangende Bank gegenüber dem Kunden als Gesamtschuldner für resultierende Schäden.

Zudem: Dem Bankkunden dürfen für den Kontowechseln keine Kosten in Rechnung gestellt werden und das neue Gesetz gilt auch für Kontoeröffnungen im europäischen Ausland. Letzteres erweitert den möglichen Radius für Wechselfreudige gewaltig.

Kontenwechsel werden zunehmen

Hatte das Thema Kontowechsel aus besagten Gründen bei Konsumenten bisher wenig Konjunktur, dürfte sich die Rate der Wechselwilligen in absehbarer Zeit drastisch erhöhen. Primär aus zwei Gründen:

Zum einen: Bisher hatten nur sehr wenige Banken und einige spezialisierte Fintechs einen Kontowechsel-Service im Angebot. Ab 18. September 2016 werden ausnahmslos alle Finanzinstitute zu Anbietern dieser Serviceleistung, freiwillig oder unfreiwillig.

Zum anderen: Zahlreiche Finanzinstitute kompensieren schwindende Erträge durch das Tiefzinsumfeld mit steigende Kontogebühren. Dafür haben Bankkunden in der Mehrzahl wenig Verständnis.

Karawanen-Verhalten

Bei Bankkunden werden in Zukunft Vergleiche von Leistungen und Gebühren verstärkt eine Rolle spielen. So wie das bei Krankenkassen oder Autoversicherern seit Jahren schon der Fall ist. Die Ranglisten der Online-Vergleichsportale lösen oftmals ein Karawanen-Verhalten in Richtung des jeweils günstigsten Anbieters aus. Von Treue keine Spur, seit der Wechsel einfach ausgestaltet worden ist. Und falls die Gebühren anziehen, zieht die Karawane eben einfach weiter.

Neu kann ein Kunde jederzeit von einer Bank zur anderen wechseln, ohne Aufwand und ohne Kosten. Zu einer Direktbank oder zu einem Finanzinstitut im europäischen Ausland. Und auch wieder zurück, sofern sich die Gebührensituation ändert. Jüngere Zielgruppen werden den Anfang machen, die sind heute schon deutlich wechselwilliger, andere Segmente werden folgen.

Wettbewerb und Individualisierung

Für Finanzinstitute eine unkomfortable Situation mit zusätzlich verschärftem Wettbewerb. Allerdings auch mit Chancen. Bankkunden schielen nicht nur auf Gebühren, die vergleichen das Gesamtpackage. Und weil sich die Ansprüche von Bankkunden verändert haben und weiterhin verändern werden, bringen attraktive Leistungen und neue Angebote zusätzliche Punkte. Gerade auch mit der Überlegung, dass nicht alle Kundensegmente dieselben Leistungen brauchen und deshalb mit flexiblen Leistungs- und Gebührenmodellen zu überzeugen sind. Kunden haben über andere Branchen und Anbieter die Unterschiede zwischen uniformen Einheitsangeboten, Flatrate und À la carte-Services längst begriffen. Deshalb reagieren sie positiv auf Transparenz und Modelle, in denen sie ihre eigenen Bedürfnisse erkennen.

Kreativität erhöht die Haltbarkeit

Neue Entwicklungen verschaffen kreativen Finanzinstituten, die auf Wünsche und Verhalten ihrer Kundensegmente fokussieren, auch klare Vorteile. Wer sich verstanden, betreut und mit den passenden Instrumenten gut bedient fühlt, der denkt nicht gleich an Umzug. Im besten Fall können sogar neue Karawanen-Bewegungen von ausserhalb in die eigene Richtung gelenkt werden – durch flexible Angebotsgestaltung und über ein smartes Marketing. Karawanen bestehen aus Individuen mit einem feinen Gespür für lohnende Oasen. Und, wer weiss, vielleicht stehen Online-Vergleichsportale auf dem Programm, die neu von Banken im Verbund betrieben werden. Kein verwegener Gedanke, mehr folgerichtig – immerhin operieren Finanzinstitute ganz nah an allen Daten und vor allem Leistungen, die verglichen gehören.

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