Vor kurzem habe ich gelesen, dass Unternehmer die einzigen Menschen seien, die eine 40-Stundenwoche freiwillig gegen 80 Stunden eintauschten. Sind wir alles Masochisten? Nein, im Gegenteil. Zumindest für mich gilt, dass ich mir ein Leben aufbaue, von dem ich keine Ferien brauche. Warum? Weil ich das tue, was mich glücklich macht.
Aber beginnen wir von vorne. Ich fand es schon immer schwierig, zu entscheiden, welches meiner Talente ich zum Beruf machen wollte. Immerhin ist bei den wenigsten Menschen ein Talent so dominant, dass die Wahl gar keine ist. Ich hätte mir alles Mögliche vorstellen können, darunter auch Reiseleiterin, Dolmetscherin und Grafikerin. Aus diversen Gründen hatte ich nichts davon in Angriff genommen, sondern eine – etwas langweilig, ich weiss – kaufmännische Ausbildung abgeschlossen.
Ich habe mich in diesem Rahmen auf Logistik spezialisiert und in Hamburg und West Afrika gelebt. Ein hoher Risikoappetit und ein gewisser Hang zum Abenteuer sind mir offensichtlich in die Wiege gelegt worden. Sagte ich schon, dass Indiana Jones bis heute irgendwie eine Vorbildfunktion für mich hat? Der Mann hat einen festen Job und dennoch Gelegenheit, in entlegenen Gebieten Abenteuer zu bestehen.
Szenenwechsel
Ich bin aus Afrika zurück und die Logistik bietet mir (zumindest in meinen Augen) keine adäquate Herausforderung mehr. Mein Intellekt ist gelangweilt und ich brauche ein neues Ziel. Nach längerem Überlegen entscheide ich, dass IT das Richtige für mich ist; ein riesiges Gebiet mit vielen Möglichkeiten. Neben meinem Job bei einem Handelsunternehmen absolviere ich eine Ausbildung und nach weniger als einem Jahr habe ich eine Anstellung bei einer Grossbank, wo ich Erfahrungen sammle, nebenberuflich eine weitere Ausbildung, diesmal zum Webmaster, mache und rückblickend zwei wichtige Erkenntnisse gewonnen habe: Meine Allergie gegen mir sinnlos erscheinende Regeln – davon gibt es in einem grossen Finanzinstitut viele – hat sich seit Kindertagen nicht gelegt und technische Zusammenhänge interessieren mich weit mehr als irgendwelche Prozesse. In der Bank ist das Interesse, eine "IT-Tussi" zu fördern, nicht besonders ausgeprägt.
Aber diese bekommt von ungeahnter Seite ein unwiderstehliches Angebot: ein Boot Camp von vier Monaten mit dem Ziel Netzwerkexpertin für das renommierteste Unternehmen auf diesem Gebiet zu werden. Die Ausbildung bezahlte das Unternehmen, die Teilnehmer gehen dafür eine vertraglich festgelegte Frist ein, die sie am Kündigen hindern. Alles, was ich dafür tun muss, ist, eine so genannte "Evaluation Week", an deren Ende eine Aufnahmeprüfung steht, zu absolvieren. Lange nachdenken war gestern. Ich habe also auf den Termin eine Woche Ferien eingereicht und mich ins Netzwerk-Abenteuer gestürzt. Nach dieser Woche war klar, dass ich diese Ausbildung um jeden Preis machen will. Noch bevor ich das Resultat der Aufnahmeprüfung erfahren hatte, reichte ich die Kündigung bei der Bank ein, weil meine Kündigungsfrist sonst die Teilnahme verhindert hätte. Uff, Glück gehabt, ich habe bestanden.
Diese Ausbildung hatte ein paar coole Jobs und Projekte zur Folge. Aber irgendwann kehrte die Routine ein und ich sah keine neuen Herausforderungen im Unternehmen, für das ich arbeitete. Allerdings wusste ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht, was ich wollte. Ein Umstand der mich ernsthaft zum Verzweifeln brachte. Nach langem Überlegen entschied ich, wieder die (universitäre) Schulbank zu drücken und habe mich für Kommunikationswissenschaft und Philosophie eingeschrieben.
Der Spagat zwischen Job und Studium war nicht ohne, aber ich fand das Lernen so klasse, dass ich beschloss, noch ein weiteres Studium an der ETH zu absolvieren. Obwohl er es weder hätte finanzieren müssen, oder zum Nachteil meiner Arbeit gewesen wäre, konnte mein damaliger "People Manager" sich nicht für die Idee erwärmen; zumindest vermute ich das, denn er hielt mich mit der Antwort so lange hin, bis ich freiwillig kündigte.
Die Unternehmerin
Das war der Startschuss zu meinem Unternehmertum und ich sollte meinem Ex-Manager vermutlich dankbar sein. Ich gründete eine GmbH mit dem Firmenzweck der IT-Projektleitung. Das erlaubte mir, meine Zeit so einzuteilen, dass ich meine Kunden unterstützen und studieren konnte. Da ich feststellte, dass die meisten Firmen erst externe Hilfe holen, wenn ein Projekt in Schieflage geraten ist, arbeitete ich ein Konzept für Projektrettung aus. Damit konnten die Fragen beantwortet werden, wie man die Ursache findet und wie man sie behebt.
Wenn ich jetzt behaupten würde, es sei einfach gewesen, müsste ich lügen. Das Arbeitsvolumen war riesig und der Spagat noch grösser als vorher. Manchmal fast zum Verzweifeln, aber meine Sturheit hätte Aufgeben nicht toleriert. Und wie es so ist bei einem Startup, man muss selber schauen, woher das Geld kommt, wie man Aufträge an Land zieht und Kunden von sich überzeugt. Aber es hat ganz gut geklappt.
Der Umstand, dass ich ein Webmaster-Zertifikat besitze, hat sich plötzlich bezahlt gemacht. Ich habe meine Website selbst programmiert. Aufgrund eines Projekts habe ich noch die Bekanntschaft eines Web-Profis gemacht, der mich dabei unterstützt hat, wenn meine Ideen wieder einmal über mein Können hinausgewachsen waren. Das kam übrigens häufiger vor.
So gerne ich Projekte leite, noch mehr Spass hat mir das Marketing und das Perfektionieren meines Internetauftritts gemacht. Nachdem ich das Studium abgeschlossen hatte, haben dann auch Motivation und Erfolg nachgelassen und ich hätte einiges ändern müssen. Aus diversen Gründen wollte ich das aber nicht, sondern beschloss, das Unternehmen zu verkaufen. Ich hatte ein Konzept anzubieten, eine Website mit extrem vorteilhaftem Google-Ranking und Kunden. Auch diesmal hatte ich Glück. Das Unternehmen hatte innerhalb weniger Wochen den Besitzer gewechselt.
Digitalisierung
Nachdem ich ein paar Monate Logos, Grafiken und Texte für andere Startups kreiert hatte, bekam ich ein Angebot für die Projektleitung eines Digitalisierungsprojekts, das die Arbeitsweise der meisten Benutzer verändern sollte. Ich, die ich seit Jahren nicht einmal einen Drucker besass, fand diese Herausforderung spannend. Das war sie auch. Das Projekt hat mich von zwei Dingen überzeugt: Ich finde Digitalisierung grossartig, weil man dadurch von überall her arbeiten kann (ja, die Abenteurerin in mir ist angetan von der Idee) und ich will sichtbare Resultate, nicht mehr reine Dienstleistung. Leichter gesagt, als getan.
Ob ich es will oder nicht: ich bin Unternehmerin. Ausserdem bin ich eine Hedonistin. Schöne Dinge machen mich glücklich. Das war schon immer so. Bei IMD Lausanne habe ich einen Lehrgang zu digitalen Marketing-Strategien absolviert und dabei bestätigt gefunden, was ich schon ahnte. Die Luxusgüterindustrie hat ein grosses Problem mit der Digitalisierung und verzeichnet teilweise heftige Umsatzeinbussen. Denen müsste man doch helfen können. Die haben ein Marketing-Budget von dem andere nur träumen können, einen Brand, der die Artikel schon fast von alleine verkauft und auch sonst noch ein paar Vorteile.
Ich habe Linienmanager recherchiert und angeschrieben, schriftlich oder telefonisch nachgefasst. Kein einziges Feedback. Sind diese Aufträge schon an die grossen Unternehmen gegangen? Ich hoffe nicht, sonst müssten ja theoretisch die Resultate zu erkennen sein, die ich immer noch nicht sehe. Haben sie nicht entschieden, was sie tun? Vielleicht. Ich weiss es schlicht nicht.
Wenn der eigene Schuh drückt, kommt eine Unternehmerin auf neue Ideen
Ich bin eine Hedonistin, was aber nicht heisst, dass ich nach Namen einkaufe. Es gibt Brands, die Polyester, Segeltuch und Pfusch für ein Vermögen verkaufen und es gibt solche, die – neudeutsch ausgedrückt – "Value for Money" anbieten.
Jetzt kommen wir zum Kernproblem. Da ich nicht gerade eine Riesin bin, trage ich Schuhgrösse 34 bis 35, wobei 35 schon zu gross ist und ich ein Fersenpolster benötige. Diese Grösse ist übrigens auch bei Sportschuhen ein Problem, weshalb der häufige Vorschlag, ich sollte doch Kinderschuhe kaufen, nicht funktioniert. Bei Laufschuhen wäre es ja egal, wenn der aktuelle Comic Superstar abgebildet ist, aber Kinderfüsse haben andere Proportionen weshalb eine erwachsene Person in diesen Schuhen nicht komfortabel laufen kann. Bei Absätzen wird es offensichtlich, dass Kinderschuhe keine Alternative sind.
Mit Einlegesohlen und Fersenpolstern könnte ich vielleicht noch leben. Wenn die kleinen Grössen denn noch vorrätig sind. Dort, wo es kleine Grösse gibt, bzw. gab, sind sie immer sehr schnell ausverkauft. Es muss also noch mehr Frauen geben, die auf kleinem Fuss leben.
Womit ich gar nicht umgehen kann, ist das Preis-Leistungsverhältnis. Meiner Meinung nach sind die meisten Schuhe von schlechter Qualität. Das trifft auch auf viele High End Brands zu.
Die Gründung des Startups Design Is Attitude
Die Hedonistin und die Unternehmerin haben sich also gefunden: Sie werden unter dem Brand Stilettissimo Luxusschuhe ab Grösse 34 nicht zu billigen, aber annehmbaren Preisen anbieten und dafür ein Unternehmen gründen. Qualität und Produkt sind gesetzt. Aber wer kauft wie viel, was sind meine Verkaufskanäle, wie finanziere ich das alles?
Auf alle diese Fragen habe ich (hoffentlich die richtigen) Antworten gefunden. Ich will Sie nicht mit den Einzelheiten langweilen, aber noch etwas zu den Verkaufskanälen, der Finanzierung und den Netzwerken sagen.