Als Schweizer Vertreter der European Payments Consulting Association ist es für PPI natürlich immer wieder ein Vergnügen, beim Stelldichein der Zahlungsverkehrsexperten Europas in Brüssel direkt vor Ort dabei zu sein. Themen der diesjährigen Konferenz waren unter anderen: "Instant Payments", "Blockchain Technology", "Mobile Payments" und natürlich die aktuellen Entwicklungen rund um die neuen Startups aus dem Bereich Fintech plus etwas Regulation, was ja ganz gut zu Brüssel passt. Zufälligerweise wurde am zweiten Konferenztag im EU-Parlament die Deckelung der Kreditkartengebühren in der EU beschlossen, was wiederum Stoff für die zahlreichen Networking-Pausen hergab.
Alles in allem ist im elektronischen Zahlungsverkehr immer noch sehr viel los und die Banken sind nach wie vor auf der Suche nach einem Business Case, welcher es erlauben würde, mit den "neuen Wilden" mitzuhalten oder sogar ihre eigene Stellung im Zahlungsverkehr noch weiter auszubauen. Aus Sicht der Finanzinstitute könnte das gelingen, wenn sich Bezahlmethoden "Access to the Account" (XS2A) durchsetzen, paneuropäische Erreichbarkeit sichergestellt ist und die Vorgänge in Echtzeit, 7*24 Stunden, von Konto zu Konto, abgewickelt werden (inklusive Überweisungen von Grossbeträgen). Interessante Zusatzservices, wie das Bestätigen von Identitäten (z.B. bei Nachweis der Volljährigkeit im e-Commerce) könnten das Angebot abrunden und die sogenannte Disruption im Zahlungsverkehr dann doch nicht so heftig ausfallen lassen, wie manche Berater das aktuell behaupten.
Nachfolgend einige Highlights aus den Präsentation und Diskussionen der zwei Konferenztage.
Thema: Instant Payments
Akteure: EZB und EBA
Fazit
Instant oder Realtime Payments zu jeder Tages- und Nachtzeit werden kommen oder sind bereits produktiv. Die Kunden können heute nicht mehr nachvollziehen, dass eine Zahlung nicht gleich schnell sein soll, wie ein Tweet in Twitter. Die dazu notwendigen Infrastrukturen (Schemas, Clearing und Settlement) werden in den nächsten Jahren nach und nach ausgebaut werden, allenfalls mit zusätzlicher Regulation der EU. Eine zentrale Europäische Lösung wird aktuell als weniger wahrscheinlich angesehen. Die Diskussionen in der Fachwelt drehen sich auch immer wieder um die Frage, ob das Settlement tatsächlich in Echtzeit erfolgen soll oder ob eine Garantie, dass das Settelement stattfinden wird, ausreicht. Seitens EBA wurde eine Taskforce gegründet, welche die Szenarien in den nächsten Monaten im Detail analysieren wird.
Bemerkenswert
Gemäss EZB und EBA soll ein Zugriff von e-Commerce und Mobile Payment Lösungen auf diese Realtime-Infrastrukturen mit einem Service Layer (Digital Customer Service Infrastructure, DCSI) erfolgen. Es handelt sich dabei um eine Art API (Application Programming Interface), welche es den Softwareherstellern erlauben soll, diesen Service in ihre Lösungen einzubauen.
Thema: Mobile Payment
Akteure: Diverse
Fazit
Die sogenannte Fragmentierung von Bezahllösungen wird aktuell immer wieder als Nachteil erwähnt. Es herrscht die Vorstellung vor, dass in Zukunft nur wenige Lösungen sich durchsetzen werden und die heute unübersichtliche Anzahl von Bezahl-Apps verschwinden wird. Dem setzt Dave Birch von Hyperion entgegen, dass das gar kein Problem sei. Apps sind in Minuten installiert und wenn es ein allgemein gültiges Verfahren für die Freigabe von Bezahlfunktionen (z.B. via Fingerprint von Apple Pay) in diesen Apps geben würde, wäre das sogar extrem komfortabel. Beispiel: Heute die Bezahl-App von Barcelona (mit Ticketing, Museum, etc.), morgen die Bezahl-App von St. Moritz (mit Skipass, Restaurant, etc.) und übermorgen die App vom FCZ Zürich (mit Stadion-Eintritt, Wurststand, etc.). Das Thema API ist demnach entscheidend, nicht die Fragmentierung der Lösungen an sich. API ist generell ein "hot topic", was z.B. auch Beispiele wie Fidorbank zeigen, welche ihre Bankservices generell via API der Entwicklergemeinde öffnen. In der Vision könnte eine Software die besten Services von verschiedenen Instituten zu einem neuen Kunden-Angebot bündeln und damit im Markt auftreten.
Bemerkenswert
Mehr als ein Redner hat darauf hingewiesen, dass es heutzutage eigentlich überflüssig sei, die Bankkarten mit Namen, Kontonummer und ähnlichem zu bedrucken. Dies ist in Mobile Lösungen (inklusive NFC mit Karten) ein alter Zopf, der schon lange abgeschnitten werden könnte. Vielmehr stellen die Informationen sogar ein Sicherheitsrisiko dar. Niemand konnte sagen, warum dies heute noch von den Banken so gehandhabt wird.
Thema: Access to the Account
Akteure: unter anderen SOFORT, iDeal und MyBank
Fazit
Das wichtigste Vorweg: Die Payment Service Directive II (PSD II), wo Third Party Providern der Zugriff auf Bankkonten eingeräumt wird, ist nicht eine Bedrohung für Banken, sondern ein Vorteil. Das Bankkonto ist das grosse Pfand der Finanzinstitute, wenn es darum geht, den Kunden zu binden. Selbstverständlich sollen diese Zugriffe in sicherer Art und Weise erfolgen und auch nicht unbedingt kostenlos sein. Für die Bezahlung im Internet und auch am Point of Sale (POS) hat das Verfahren einige Vorteile gegenüber Kreditkarten-Schemas oder Prepaid-Lösungen. Erwähnenswert wären an dieser Stelle z.B. auch funktionierende Mechanismen bezüglich Sicherheit, Fraud Detection und Compliance zu den Regulationen im Zahlungsverkehr. Durch die Vernetztheit der Banken untereinander ist auch die Erreichbarkeit, zum Beispiel auf der Basis von SEPA, für Europa bereits heute erfüllt. Es herrscht die Meinung vor, dass Banken entweder diesen Pfad beschreiten oder sich aus dem Geschäft von Retailzahlungen weitestgehend zurückziehen sollten (Kooperationen mit oder Übernahme von Softwarelösungen ausgeschlossen).
Bemerkenswert
Gesucht sind Lösungen, die es erlauben, dass ich als Schweizer Bankkunde meinem deutschen Kollegen via Mobile Payment die Hälfte vom Mittagessen per Handy überweisen kann, egal bei welcher Bank wir beide das Konto haben.
Thema: Fintech
Akteure: Diverse
Fazit
Aktuell wird das meiste Venture Kapital nicht mehr in Payment-Lösungen investiert. Es stehen vielmehr Lösungen im Fokus, die Banken in ihren eigenen Prozessen unterstützen oder Funktionalitäten im Bereich Corporate Finance anbieten. Dennoch ist die Investment-Bereitschaft für Payment-Lösungen nach wie vor recht hoch, was wir aus Schweizer Sicht gut bestätigen können (siehe Twint, Mobino, Klimpr, etc.). Die Innovation findet in drei Bereichen statt: Erstens, bestehendes Geschäft besser machen. Zweitens, bestehendes Geschäft von Dritten machen lassen. Und drittens, neues Geschäft (Geschäftsmodelle) anbieten. Ein möglicher Paradigma-Wechsel findet aktuell bei der Überprüfung der digitalen Identität statt. Apple beispielsweise strebt an, diese Funktion über ihre Geräte abwickeln zu lassen und somit zum "Anstoss" jeglicher Bezahl-Transaktionen zu werden. Diese Kontrolle bedeutet in der Folge eine enorme Markmacht, sofern das Verfahren denn auch breit akzeptiert werden wird. Bezüglich Hardware sind Anbieter wie Apple ebenfalls im Vorteil, da neue biometrische Verfahren wie Fingerabdruck, Herzschlag-Rhythmus, Sprache oder Gehgeschwindigkeit ideal zu Geräten wie zum Beispiel der Apple Watch passen.
Bemerkenswert
Es steht die These im Raum, dass in Zukunft der Wechsel der Hausbank so einfach und emotionslos wie der Wechsel von einem Telco-Anbieter zum nächsten sein wird und Zahlungsverkehr nur noch eine "Commodity" darstellt, die kaum mehr mit der Bank assoziiert wird. Ein Redner aus Russland hat sogar den Vergleich mit Leitungswasser angestellt.
Thema: P2P Payments
Akteure: SIA
Fazit
Die italienische SIA wartet am EPCA-Event mit einer echten Innovation auf. Marco Polissi präsentierte dem Plenum die Lösung "Jiffy", welche ähnlich der P2P-Lösung von SIX oder Paym funktioniert, aber komplett auf dem SEPA-Schema basiert. Gemäss Polissi sind P2P-Lösungen ohne Europäische Verbreitung Nischenprodukte, welche über kurz oder lang keine Berechtigung im Markt mehr haben werden. Die Funktionsweise ist wie gesagt bekannt, man übermittel Geld an eine Handy-Nummer. Der zentrale Directory-Service von SIA verknüpft diese dann mit der IBAN der registrierten Teilnehmer. Nicht registrierte Teilnehmer erhalten einen Link zum Download der App. Da das ganze Modell auf SEPA basiert (Credit Transfer) ist der Integrationsaufwand bei den Banken minimal und die europäische Verbreitung ab sofort gegeben. Es ist beispielsweise denkbar, dass Lösungen wie Paym aus Grossbritannien sich mit dem Verzeichnis von SIA verknüpfen und so eine lösungsübergreifende Kooperation entstehen könnte. Ein Modell, das allenfalls auch für Schweiz sinnvoll sein könnte. Aktuell sollen 12 Banken (noch vornehmlich aus Italien) "Jiffy" in Kürze als Produkt anbieten.
Bemerkenswert
Bezüglich Intensivierung von Lösungen im Markt wurde wieder einmal das PayPal-Beispiel zitiert, wonach PayPal zu Beginn jedem Nutzer 10 Dollar für die Eröffnung eines Kontos ausbezahlt hat. Eine riskante Anfangs-Investition (im mehrstelligen Millionenbereich), welche sich aber rückblickend gelohnt hat.
Link zu Transactives: EPCA Payment Summit 2015
Korrespondent in Brüssel: Marco Vosseler
Redaktion iso-20022.ch: Ruedi Maeder