Interview: Marc Landis | Redaktion: Colin Wallace
Die Finanzbranche befindet sich im Umbruch. FinTech-Unternehmen wie Revolut und N26 erhalten Milliardenbewertungen, Blockchain ist ein Dauerthema. Stefan Bucher, Vermögensverwalter und Gründer der Corum Vermögensverwaltung in Zürich, mischt an vorderster Front mit. Im Gespräch verrät er, wie er den Wandel vorantreiben will.
Wie kam es dazu, dass Sie in der Finanzbranche landeten und blieben?
Stefan Bucher: Eigentlich wollten meine Eltern, dass ich Lehrer werde. Doch schon zu meiner Schulzeit war mir klar, dass ich eines Tages in der Finanzbranche arbeiten wollte. Ich hatte grosses Glück und erhielt 1981 eine Lehrstelle bei einer Regionalbank in Luzern, wo ich meine ersten Erfahrungen mit der Finanz- und Börsenwelt machen durfte. Von diesem Zeitpunkt an bin ich der Finanzbranche treu geblieben.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Job besonders?
Als Vermögensverwalter geniesse ich die Selbstständigkeit und die Möglichkeit, immer wieder neue Projekte zu entwickeln. Die Gründung der Corum Vermögensverwaltung AG war bisher mein grösstes Projekt.
Würden Sie wieder diesen Weg einschlagen?
Ja, unbedingt. Man sagt zwar, im Nachhinein ist man ja bekanntlich immer schlauer, daher würde ich vielleicht einige Dinge anders machen. Ich bin jedoch sehr zufrieden mit dem Weg, den ich eingeschlagen habe.
Wie hat sich die Finanzbranche im Laufe Ihrer Karriere verändert?
Ich glaube, die Branche hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. In den Achtzigern haben Computer die Finanzwelt revolutioniert, in den Neunzigern waren es Internet und E-Mail. Wir müssen uns immer wieder anpassen, aber wollen die Veränderung des Finanzplatzes auch aktiv mitgestalten und davon profitieren. Die meisten Vermögensverwalter sind im wahrsten Sinne des Wortes Verwalter und sitzen auf ihren Pfründen. Die Kunden werden älter und sterben, die Erbengeneration hat andere Ansprüche an einen Vermögensverwalter. Ich nenne hier nur das Schlagwort «Digitalisierung», und das «neue» Geld wird vermehrt institutionell verwaltet werden. Daher muss man proaktiv agieren, statt zu reagieren.
Sie sind seit 38 Jahren in der Finanzwelt engagiert und gründeten Corum vor 17 Jahren. Was treibt Sie an, nun mit dem Swic-Gateway noch einmal etwas Neues zu starten?
Ich treibe verschiedene Projekte voran. Das Swic-Gateway im Kryptobereich oder die Corum Wealth Management Platform, welche die Konsolidierung des Vermögensverwaltungsmarktes in der Schweiz mitprägen wird, sind die grössten Projekte in der Corum-Gruppe. Mit dem Swic-Gateway haben wir die Möglichkeit, die Blockchain-Technologie zugunsten unserer Kunden einzusetzen und für sie Geld zu sparen bei Gebühren und Courtagen. Die Branche wird sich durch die Blockchain-Technologie massiv verändern. Diese Technologie wird ähnlich starke Auswirkungen auf die Finanzbranche haben wie damals das Internet auf die Printmedien. Aber viele Marktteilnehmer aus der Finanzindustrie warten noch ab oder fürchten sich gar vor den Auswirkungen, statt sich frühzeitig mit ihnen zu beschäftigen. Da bin ich anders. Will man wettbewerbsfähig bleiben, muss man gewisse Risiken eingehen. Ich habe auch schon Projekte lanciert, die ich abschreiben musste.
Inwiefern glauben Sie, dass Sie mit dem Swic-Gateway die Finanzwelt verändern können?
«Bank»-Apps wie Revolut und N26 haben auch die Finanzbranche bereits verändert. Das Swic-Gateway wird die Finanzbranche revolutionieren. Wir wollen gemeinsam mit Technologiepartnern eine Transaktionsplattform schaffen, auf der alle Assetklassen mittels Kryptowährungen gehandelt werden können. Auf dem Swic-Gateway werden Fonds und andere Finanzprodukte tokenisiert und durch Blockchain-Technologie in einem Wallet verwaltet. Man braucht dafür keine Bank mehr. Damit erhalten auch kleinere Anleger und Investoren aus der ganzen Welt Zugang zu den Finanzmärkten. Wir demokratisieren den Börsenhandel, und das mit minimalen Transaktionskosten, maximaler Transparenz, sicher und extrem schnell.
Für das Projekt benötigen Sie viel Geld. Dieses wollen Sie über ein Initial Coin Offering ( ICO ) einsammeln. Warum wird das ICO für den Swic-Gateway in Australien gemacht?
Die Plattform Swic-Gateway ist nicht primär auf den Schweizer Markt ausgerichtet. Ich glaube, dass der Raum Asia Pacific für die Zukunft eine grosse Rolle spielen wird, da es dort viele kleine Anleger und Investoren gibt, die durch das Swic-Gateway Zugang zu den Finanzmärkten erhalten. Und das auch in Ländern, die kein verlässliches Finanzsystem oder bislang keinen Zugang dazu haben. Daher ist es sinnvoll, das ICO mit dem von uns neu in Australien gegründeten Unternehmen Swic Digital Ltd., das 100 000 000 Swics (Swiss Invest Coins) hält, auch dort zu lancieren. Zudem finden wir in Australien gute Voraussetzungen und rechtlich verbindliche Rahmenbedingungen für ein ICO, was in der Schweiz bislang noch nicht der Fall ist. So wurde dort etwa gerade kürzlich der erste staatlich garantierte Gold-Token der Welt aufgesetzt. Wir brauchen diese Rahmenbedingungen rund um KYC ( Know your Client) und AML (Anti Money Laundering), um unseren Kunden Rechtssicherheit bieten zu können, sowie die Innovation, die uns dieser Markt bietet. Wir haben Anfang dieses Jahres auch einen Anteil an einem australischen Broker gekauft und verfügen so über alle nötigen Vertriebslizenzen, um dort tätig zu werden.
« Auf dem Swic-Gateway werden Fonds und andere Finanzprodukte tokenisiert und durch Blockchain-Technologie in einem Wallet verwaltet. »
Was fasziniert Sie an den Möglichkeiten der neuen Distributed-Ledger-Technologien?
Die dezentrale Aufbewahrung von Daten und Assets fasziniert mich. Durch diese Dezentralisierung werden nicht nur die ganzen Clearing-Systeme obsolet, sondern auch Banken. Momentan ist man noch auf Banken angewiesen und ihren Launen ausgeliefert. Die Bank entscheidet, ob Zahlungen durchgeführt oder Assets freigegeben werden. In Zukunft könnten Anleger wieder die volle Kontrolle über ihre eigenen Daten und ihre Assets haben. Verwalten sie ihre Assets auf einer Blockchain, haben sie die alleinige Herrschaft darüber. Staat und Banken wollen dies jedoch mit Regulatorien verhindern, da sie den Kontrollverlust fürchten. Daher kommt auch der Gegenwind für Projekte wie Libra von Facebook.
Was halten Sie von den neuen Kryptobanken, die in der Schweiz Banklizenzen erhalten haben?
Ich verstehe nicht, warum solche «Kryptobanken» gegründet werden. Es sind ja normale Universalbanken, die sich unter dem Krypto-Begriff vermarkten. Die Banking-Industrie befindet sich aber in einer massiven Konsolidierungsphase. Wieso also braucht es dann noch mehr Banken?
Wie schätzen Sie die Rahmenbedingungen für digitale Innovation in der Finanzbranche ein?
Wären die Rahmenbedingungen schlecht, hätten grosse internationale Firmen aus der IT-Branche, Blockchain- und der FinanzIndustrie keine Sitze hierzulande. In der Schweiz wird viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Viele Investoren stehen Neugründungen jedoch noch immer kritisch gegenüber, weswegen es ohne gute Vernetzung schwierig sein kann, an Risikokapital zu gelangen. Steuertechnisch sind die Rahmenbedingungen gewiss nicht ideal, doch das ist ja nichts Neues. Zudem ist der Einfluss von Playern wie etwa Grossbanken, die durch Lobbying ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen, auch nicht von der Hand zu weisen. Das spüren wir auch in der Vermögensverwaltung. Wir bekommen neue Rahmenbedingungen, die sehr restriktiv sind und zu einer Umwälzung der Vermögensverwaltungsbranche führen werden.
Wie schätzen Sie den strukturellen Einfluss ein, den die von Ihnen angesprochenen veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen auf die Finanzbranche haben werden?
Mit der Einführung von Fidleg und Finig werden viele kleine Vermögensverwalter von der Bildfläche verschwinden, da sie den neuen regulatorischen Anforderungen ohne Hilfe nicht mehr gewachsen sind beziehungsweise diese nur mit sehr hohem finanziellen Aufwand stemmen können. Sogenannte One Man Shows werden verschwinden. Aus diesem Grund haben wir das Projekt «Corum Wealth Management Platform» gestartet. Die Plattform wird am Konsolidierungsprozess der Vermögensverwalter teilnehmen. Wir vereinen viele kleine Vermögensverwalter unter einem Dach und stellen ein Framework zur Verfügung, damit sie den künftigen regulatorischen Marktanforderungen genügen werden.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Finanzbranche in der Schweiz und international mittel- und langfristig ein?
Laut einer Studie, die Six in Auftrag gegeben hat, werden durch die Blockchain-Technologie 30 000 traditionelle Arbeitsplätze in der Schweizer Finanzindustrie verloren gehen. Gleichzeitig dürften aber auch wieder neue Stellen in der Blockchain-Industrie geschaffen werden. Dennoch wird es innerhalb der Banken grosse Veränderungen geben. Um nicht unter die Räder zu kommen, müssten sie sich aber bewegen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Sie könnten etwa Dienstleistungen rund um die Depotverwahrung bieten und sich darauf spezialisieren, die Private Keys von Kryptoanlegern zu schützen und sicher aufzubewahren.