Die Blockchain auf dem Prüfstand

Bild: Jupiter | Getty Images

Verliert die Blockchain im Zusammenhang mit den aktuellen Raubzügen auf Kryptowährungen an Glanz?

In letzter Zeit haben mehrere Raubzüge auf Bitcoins und Ether die noch junge Branche bewegt und erschüttert. Die aktuellen Ereignisse sorgen für Zündstoff und für Diskussionen.

Mt.Gox (Februar 2014)

Das Ereignis
Bei einer der weltgrössten Handelsplattformen für Bitcoins sind 2014 unter mysteriösen Umständen 650'000 Bicoins verschwunden – ein Verlust von mehreren hundert Millionen Dollar.

Die Massnahmen
Widersprüchliche Erklärungen der Betreiber, fehlende Transparenz und eine laufende Strafuntersuchung haben zum Aus der Plattform geführt. Die Umstände des Diebstahls sind bis heute noch nicht restlos aufgeklärt. Ermittlungen in Richtung von Insidertransaktionen und Unterschlagung lassen darauf schliessen, dass nicht die Blockchain an sich das Kernproblem war.

Das Resultat
Die Plattform wurde geschlossen, Mt.Gox in den Konkurs geschickt.

Ethereum (Juni 2016)

Das Ereignis
Der Konkurrent von Bitcoin und das Lieblingskind der Branche ist ebenfalls Opfer eines Hacks geworden: über 3 Millionen Ether im Wert von rund 50 Millionen Dollar sind abgezweigt worden.

Die Massnahmen
Vitalik Buterin, der Gründer von Ethereum, hat den Handel mit Ether temporär aussetzen lassen (inzwischen wieder online). Ziel der Hacker war offensichtlich nicht der Code von Ether, vielmehr ein Programmierfehler in der DAO (Dezentrale Autonome Organisation). DAO verwaltet nicht nur Währungen und Überweisungen, vielmehr ganze Programme und Smart Contracts.
Buterin hat im nächsten Schritt eine Software-Anpassung vorgenommen, um die Hacker daran zu hindern, über die gestohlenen Ether verfügen zu können. Die ursprünglichen Bestände der Nutzerkonten lassen sich dadurch wieder herstellen. Eine sehr umstrittene Massnahme, weil das Ideal und der USP der Blockchain genau darin liegt, dass nachträglich keine Manipulationen der ausgeführten Transaktionen möglich sind.

Das Resultat
Seit 20. Juli 2016 besteht Ethereum in zwei Versionen: die bisherige Version Ethereum Classic (ETC) und die neue codebereinigte Version von Ethereum (ETH). Im Moment tobt noch ein Glaubenskrieg um die beiden Versionen, weil sich Traditionalisten gegen die überarbeitete Version sträuben. Die neue Version dürfte sich jedoch durchsetzen, weil eine grosse Fraktion von Pragmatikern die nachträgliche, einmalige und kontrollierte Codeanpassung weniger als Sakrileg betrachtet, mehr als notwendige Massnahme, um Hackern den Zugriff auf gestohlene Gelder zu verweigern.

Bitfinex (August 2016)

Das Ereignis
Bei einem Hack der Hongkonger Plattform Bitfinex sind Anfang August 2016 um die 120'000 Bitcoins im Wert von rund 70 Millionen Dollar erbeutet worden.

Die Massnahmen
Der Handel ist ausgesetzt worden, die Plattform soll im nächsten Schritt in einem "eingeschränkten und abgesicherten" Modus wieder freigeschaltet werden. Nach Aussagen der Betreiber sind die Sicherheitsmassnahmen verschärft worden. Sämtliche User sind vorerst angehalten, ihre Passwörter zu ändern. Im Moment ist noch völlig unklar, wie der Hack genau abgelaufen ist und unter welchen Umständen Bitcoins transferiert worden sind (Insider oder externer Angriff). Bitfinex betont lediglich, dass die Sicherheit der Technologie, mit der Bitcoins hergestellt und verbreitet werden, nicht betroffen wäre – damit ist die Blockchain gemeint.

Das Resultat
Der entstandene Verlust wird über eine "sozialisierte" Lösung verteilt. Das heisst, sämtliche Kontoinhaber verlieren solidarisch 36 Prozent am Wert ihrer Einlagen. Dieses solidarische Geradestehen für den Schaden dürfte nicht bei allen Kontoinhabern gut ankommen. Eine mögliche Entschädigung und Kompensation der gemeinsam getragenen Verluste wird für die Zukunft in Aussicht gestellt.

Fazit

Selbstverständlich führen Vorkommnisse dieser Art zu temporären Kursstürzen und auch zu Verunsicherungen. Und, wie immer bei solchen Ereignissen, wird in medialen Artikeln und in User-Diskussionen das Überleben der Blockchain und der Bestand von Kryptowährungen im Grundsatz infrage gestellt.

Analyse, Massnahmen und Kommunikation
Zentral wichtig ist, dass Ereignis und Ursache im Detail analysiert und vorbehaltlos offen kommuniziert wird. Im Fall von Ethereum ist das mustergültig genau so geschehen. Welche Massnahmen notwendig werden, mag von Fall zu Fall unterschiedlich bewertet werden, erkannte Probleme und Lücken gehören jedoch gelöst und geschlossen, erkannte Angriffsvektoren eliminiert.

Und dann, wie weiter?
Genau so, wie bisher. Weil die Blockchain und deren Möglichkeiten, mit und ohne Kryptowährungen, sich noch im Experimentalstadium befinden. Sicher auf hohem Niveau, aber ebenso sicher immer noch auf dem Weg zu neuen Entwicklungen, die uns alle überraschen werden. Und auch zu neuer Sicherheit, die sich im Markt allerdings erst beweisen muss.

Blockchain unterwegs und auf dem Prüfstand
Das Internet ist in diesen Tagen 25 Jahre alt geworden. Die heutige Technologie und die aktuellen Selbstverständlichkeiten sind nicht über Nacht entstanden. Deshalb verliert auch die Blockchain nicht an Glanz – sie steht einfach noch längere Zeit auf dem Prüfstand. Um über Entwicklung und Innovation Vorschusslorbeeren zu bestätigen, begreifbar und fassbar zu werden, um tatsächlichen und verdienten Glanz zu gewinnen. Daran arbeiten Tag für Tag tausende von genialen Köpfen in unzähligen Branchen. Auch und gerade im Finanzbereich.

Mt.Gox: Website

Ethereum: Website

Bitfinex: Website

Stichworte zum Thema im Lexikon: Bitcoin | Blockchain

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