Neo-Banken

Wenn die Challenger-Banken kommen...

SFTA-Panel mit Hohn Hucker
John Hucker, Präsident der Swiss Finance & Technology Association (Bilder: Patrick Comboeuf | MoneyToday.ch)

...hört die Community aufmerksam zu. Das hat sich letzten Mittwoch aus mehreren Gründen gelohnt. Notizen zum SFTA-Event "The Challenger Banks are coming".

Die Swiss Finance & Technology Association (SFTA), mit 600 Mitgliedern einer der grösseren von einem halben Dutzend FinTech-Verbänden in der Schweiz, hat letzte Woche zum Stelldichein mit vier Challenger-Banken in den Westhive Co-Working Space nach Zürich-West geladen. Rund hundert interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer folgten dem Ruf.

Zu den Abwesenden gehörte der Grossteil der etablierten Finanzinstitute. Eigentlich unverständlich und bedauernswert, ist doch gerade diese Zunft massiv von den disruptiven Strategien der Challenger betroffen. 

The Challenger Banks are coming

John Hucker (Präsident der SFTA) hat mit den vier Protagonisten wohl mit das hochkarätigste Panel an Challenger-Banken aufgeboten, das man sich vorstellen kann. Als Moderator setzte er seine Gäste immer wieder unaufdringlich, aber inhaltlich tragend gekonnt in Szene.

Leider musste Fynn Kreuz (Managing Partner von Numbrs Personal Finance – dem jüngsten Schweizer FinTech Unicorn) kurzfristig als Podiums-Teilnehmer passen. Seine Präsenz wäre für viele Zuhörer sicherlich eine Bereicherung gewesen.

So lag es allein bei Christian Meier (CIO von Yapeal mit langjähriger Karriere in der Informatik bei UBS), die Flagge für das B2C-Lager hochzuhalten. Dies ist ihm mit pointierten Aussagen allerdings auch gut gelungen.

Mit Urs Bernegger (GL-Mitglied der Seba Bank) und Martin Burgherr (Chief Client Officer bei Sygnum) komplettierten zwei weitere ehemalige UBS-Veteranen das Podium. Sie repräsentierten die beiden eben erst im vergangenen August von der FINMA mit einer bedingten Bank- und Effektenhändler-Lizenz ausgestatteten FinTech Startups.


Es braucht überzeugende Use Cases im Digital Asset Management

Bernegger (Seba) und Burgherr (Sygnum) als Protagonisten der Crypto-Institute waren sich schon in ihren Eröffnungsstatements in einem Punkt vollumfänglich einig:

Damit das relativ junge Geschäftsfeld mit der Verwahrung und dem Management von Digital Assets bzw. Crypto Assets nachhaltig wächst, braucht es stimmige Anwendungen. Tokenisierung, Smart Contracts & Co. müssen über konkrete nutzenstiftende Lösungen über den kleinen Zirkel der First Mover Nerds hinaus bekannt werden.

Nur so ist der Nährboden für die von Finanzminister Ueli Maurer gerne und oft propagierten "Blockchain / Crypto / FinTech Nation Switzerland" fruchtbar. 

Challenger Banks oder Challenging Banks?

Für einen ersten Lacher sorgte Meier bei der Vorstellung von Yapeal:

«Genau genommen sind wir ja keine Bank. Wir machen kein Zinsgeschäft, weil wir damit von vornherein Interessenkonflikte vermeiden. Wenn es uns auch nur ansatzweise gelingt, die aktuell mit uns in Verbindung stehenden Interessenten mit einer vernünftigen Konversionsrate zu zufriedenen Kunden zu machen, wird Yapeal aber ohne jeden Zweifel zu einem ernstzunehmenden Challenger für die etablierten Institute.»

Nervöse Unruhe da, entspannte Gelassenheit dort

Erfahrene Marktbeobachter gruppieren sich bei der Frage, wie gross die Gefahren für klassische Banken sind, um zwei Pole:

Die einen glauben, dass die High Involvement- / Low Interest-Attribute, welche der Mehrheit von Finanzdienstleistungen eigen sind, die Wechselwilligkeit der Kunden dämpft.

Die anderen, darunter nicht nur die sogenannten Neo-Banken, sehen den Tipping Point fast schon erreicht und erwarten einen massiven Exodus von Retailkunden der etablierten Banken. 

Financial Services als Lifestyle-Strömung?

Digitale Finanzprodukte, ja selbst clever orchestrierte E-Banking Features, findet man selten auf den "The Next Hot Shizzle"-Listen. So dominieren Revolut, N26 oder auch Apple Pay / Apple Card und andere die Schlagzeilen im Retail-Segment vor allem mit einer Kombination von einfachen Basisdiensten zu attraktiven Konditionen mit einer herausragenden User Experience.

Deren von Big Techs inspirierten Wachstumsmodelle lassen sich vorderhand aber nur über Dritte (Investoren bzw. Ecosystem-Partner) finanzieren, wie Meier (Yapeal) treffend anmerkt. Für sein FinTech-Unternehmen sieht Meier unter anderem auch gerade im spielerischen Heranführen an digitale (AI-)Finanzassistenten einen vielversprechenden Ansatz. 

Ecosystem Infrastructure vs. Digital Literacy – die "Huhn oder Ei"-Frage

Die beiden neuen Crypto-Banken Sygnum und Seba wiederum müssen das Bewusstsein und damit den Markt für ihre Dienstleistungen erst noch schärfen. Dabei wählen sie unterschiedliche Konzepte und Vorgehensweisen. 

Sygnum entwickelt ihr Digital Asset Management Geschäft durch den Aufbau eines Ökosystems auf Basis der Distributed Ledger-Technologie. Zusammen mit den Partnern Swisscom und Deutsche Börse sollen so konforme Lösungen für die Ausgabe und Deponierung von digitalen Vermögenswerten entstehen, die den Marktteilnehmern Zugang zu Liquidität und Bankdienstleistungen bieten.

Gemäss Burgherr unterstützt Sygnum damit wirksam eine zunehmend tokenisierte Wirtschaft. Das Wertversprechen, illiquide Assets liquider und "Bankable" Assets effizienter verwaltbar zu machen, ist nicht gänzlich neu. Bei den Verhandlungen mit institutionellen Kunden und qualifizierten Privatanlegern sieht Burgherr die Banklizenz (inzwischen Vollbanklizenz) für Sygnum aber bereits als eigentlichen Gamechanger. 

Diversifikation von Anlagekategorien für Institutionelle und Financial Literacy für Lohnempfänger

Seba hat die bedingte Bank- und Effektenhändler-Lizenz am gleichen Tag wie Sygnum von der FINMA erhalten. Bernegger sieht sein Institut deshalb als Pionierbank in der Pflicht, den Markt auch über Massnahmen zur Entwicklung der nächsten Generation an Nutzern zu verbreitern. Bernegger zum Thema: 

Heute ist die Literacy rund um digitale Anlagen, Kryptowährungen und Blockchain noch ungenügend ausgeprägt

Auf Hochschulniveau gibt es bereits vereinzelte Lehrgänge, die sich diesem Missstand annehmen. So bietet zum Beispiel die HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich mit ihrem 18-tägigen CAS-Programm "FinTech & Blockchain Economy" Bankern sowie Finanzfachleuten und Innovatoren aus anderen Branchen ein solides Wissensfundament, um für ihre Unternehmen die vielfältigen kommerziellen Potenziale rund um die digitale Wirtschaft zu erschliessen.

Bis dato fehlen aber vielerorts noch einfach zugängliche Bildungsangebote für Krypto-Einsteiger oder aktuell nur peripher von diesen Entwicklungen betroffene Berufsleute. Hier setzt Sebaversity an, eine nicht-gewinnorientierte Initiative, die Interessierte und Lernende zum Beispiel über interaktive Webinars mit der Welt um digitale Assets vertraut machen soll.

Nun, was ist wichtiger: Eine zeitgemässe Infrastruktur oder Menschen, die damit etwas anzufangen wissen? Aktuell braucht die Schweiz definitiv von beidem mehr, und zwar nicht nur im Crypto Valley.

Customer Acquisition wird zur Königsdisziplin

Aber nicht nur bei Blockchain ist es um das elementare Grundwissen in weiten Teilen der Bevölkerung schlecht bestellt. Studien belegen, dass die "Financial Literacy" im Generationenvergleich in den vergangenen Jahren sogar abgenommen hat. Dies mag teilweise auch damit zusammenhängen, dass die Finanzbranche den inhaltlichen Kommunikationsfokus jüngst oft mehr auf ihre Produkte und weniger auf die Bedürfnisse ihrer Kunden gelegt hat. Dazu meinte Christian Meier von Yapeal:

Die Mehrheit der Kunden macht sich nicht Sorgen wegen Investments, sondern ob das Geld bis Ende des Monats reicht

Hier will Yapeal ansetzen und zwar mit smarter Technologie und einer niederschwelligen, dafür sehr stimmigen Customer Experience. Dies scheint ein vielversprechender Ansatz. Denn die Akquisition von neuen Kunden ist mittlerweile sowohl bei etablierten als auch bei Challenger-Banken zur erklärten Königsdisziplin geworden.

«Mit unserer "No Legacy"-Kostenstruktur haben wir eine spannende Ausgangslage, weil wir bereits mit einer überschaubaren Zahl an Neukunden profitabel werden können», zeigt sich Meier zuversichtlich.

FinTech-Banken wie Monzo, Starling, N26 und Revolut onboarden jeden Monat mehrere Zehntausend neue Kunden. Dies nimmt sich armselig aus im Vergleich mit Wechat Pay und Alipay, den Marktführern im Reich der Mitte. Ant Financial, die von Alibaba Gründer Jack Ma kontrollierte Muttergesellschaft von Alipay und Yuebao, dem weltweit grössten Geldmarktfonds, bringen 20 Millionen neue Kunden auf ihre Plattformen und verarbeiten ein Vielfaches an Transaktionen von Visa / Mastercard.

Libra und Stable Coins pflügen das Feld für Mainstream-Adoption

Abschliessend wagten die Podiumsteilnehmer noch einen Ausblick in die Zukunft. Für Burgherr von Sygnum ist Libra, das von einem Konsortium um Facebook getragene Stable Coin-Ökosystem, das wohl aufsehenerregendste Projekt im Crypto Space:

Wir haben heute 50 Millionen Bitcoin Wallets. Mit WhatsApp oder Facebook hätten über Nacht plötzlich mehrere Milliarden Menschen Zugang zu einem digitalen Portemonnaie

Auch wenn darob dem einen oder anderen Regulator und Notenbanker der Schrecken in die Glieder fuhr und weiterhin fährt, ist diese Entwicklung per se begrüssenswert. Warum, bringt Urs Bernegger in seinem finalen Votum auf den Punkt:

«Damit wird die etablierte Finanzbranche gezwungen, sich endlich aktiv mit dem Thema Digital Assets und Digital Currencies auseinander zu setzen. Wenn daraus statt Innovations-verhindernder Regulierungen auch eigenständige Konzepte entstehen, wie zum Beispiel von Notenbanken ausgegebene Stable Coins, gewinnen alle.»

Der Autor: Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf, Associate Editor bei MoneyToday.ch, ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley, dem Zentrum der digitalen Welt.

Seit 2013 engagiert am Institute for Digital Business der HWZ, unter anderem als Director of Studies für den Lehrgang CAS Digital Leadership. Als Vorstandsmitglied der Fintechrockers sowie als Partner der Crypto Advisory Group unterstützt er etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups dabei, ihre eigene Geschäftstätigkeit friktionsfrei in digitalen Ökosystemen und in der Blockchain zu verankern.

Als früherer CTO bei Ifolor, Head of Digital Experience bei Swiss Life und als Leiter Digital Business bei den SBB, war Patrick Comboeuf federführend verantwortlich für eine Vielzahl digitaler Initiativen. Er teilt sein Wissen gerne sozialmedial auf LinkedIn und Twitter, zudem ist Patrick ein gefragter Keynote Speaker, Moderator und Panelist auf Konferenzen im In- und Ausland.