Butter bei die Fische

Bild: MKistryn | Getty Images

Potenzial allein reicht nicht, meint Christina Kehl – was dem Finanzplatz 4.0 fehlt, ist die digitale DNA.

In einem bemerkenswerten Artikel im FinTech Blog von Finanz und Wirtschaft analysiert Christina Kehl die digitale DNA des Finanzplatzes 4.0 und kommt zum Schluss: sie fehlt.

Kehl ortet in ihrem Artikel eine grosse Diskrepanz zwischen dem Wirtschaftsstandort Schweiz und dem Finanzplatz Schweiz. Werden die Schweiz und ihr wichtigster Rohstoff "Innovationskraft" in globalen Studien regelmässig top bewertet, verliert dieselbe Schweiz bei Studien, welche auf Finanzplätze fokussieren und international vergleichen. Mit anderen Worten: der Bankenplatz Schweiz schrumpft seit Jahren. Entwicklung und konkrete Zahlen der letzten zehn Jahre werden auch durch die aktuelle Analyse des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen SIF belegt: "Der Finanzstandort Schweiz"

«In der Schweiz wird schon viel zu lange der bestehende Erfolg verwaltet.»

Christina Kehl stellt die zentrale Frage: "Wieso verliert die Schweiz im Zeitalter der Digitalisierung ausgerechnet auf dem Spielfeld der Finanzen?" Und sie liefert Anworten und Anregungen zum Thema.

«Potenzial allein ist völlig irrelevant, wenn es nicht genutzt wird»

Kehl ist der Meinung, dass andere Standorte mit (vermeintlich) geringerem Potenzial, die notwendige Kraft sehr viel besser auf den Boden bringen, um aus vorhandenen Potenzialen Realitäten zu schaffen.

Der Bezug zu einem aktuellen Artikel im Tages-Anzeiger ist interessant, in dem Wirtschaftsredaktor Stefan Eiselin festhält, dass der Tech-Boom die Wirtschaftswelt immer jünger macht, die Verwaltungsräte jedoch grau bleiben. Eiselin kommt zum Schluss, dass Gremien wie Verwaltungräte in der Schweiz gefährlich homogen zusammengesetzt sind. Das kann zur Verwaltung von grossem Wissen führen, dem keine neuen Perspektiven und keine neue Denke gegenüberstehen. Schlechte Voraussetzungen, um aktuelle Fragen und Herausforderungen der Digitalisierung mit mutigen Entscheidungen aus neuen Denkmustern zu beantworten. Eiselin kritisiert weniger das Durchschnittsalter an sich, vielmehr die Zusammensetzung. Und auch die fehlende breite Durchmischung der Gremien, nach Herkunft, beruflichem Hintergrund, Geschlecht oder Alter, welche generell Risiken vermindern und Innovationen fördern kann.

Christina Kehl doppelt nach mit der Feststellung:

«Nun hängt Erfolg nicht von Jugend ab, dennoch ist in Frage zu stellen, ob eine Bank, in deren Chefetage kein einziger Digital Native zu finden ist, die Digitalwende tatsächlich schaffen kann.»

Die Autorin führt in ihrem Artikel aus, was aktuell ist, was in Zukunft werden kann und was eher schnell geschehen muss, damit die digitale DNA sichtbar wird, zur Hochform aufläuft und das gesamte Unternehmen durchziehen kann.

Zuschauerränge genügen nicht

Urs Haeusler, Gründungsmitglied von Swiss Finance Startups (SFS), hat kürzlich zum selben Thema in einem ausführlichen Artikel ein Mehr-Punkte-Programm aufgestellt. Mit konkreten Massnahmen, die aus seiner Betrachtung notwendig sind, um die Verbindung Finanzplatz und FinTech Hub Schweiz zu etablieren. Eine Kombination, die nach seiner Meinung zwingend ist, um den Boden für einen erfolgreichen Finanzplatz der Zukunft zu legen. Seine Überlegungen im TA-Special "Digitale Revolution im Banking".

Urs Haeusler warnt in seinem Artikel:

«Der Wirtschaftsstandort Schweiz darf sein Potenzial nicht verschwenden, indem wir uns auf die Zuschauerränge zurückziehen.»

Gute Nachrichten gibt es auch

Was sich bei Kehl, Eiselin und bei Haeusler sowie in mehreren Studien auf den ersten Blick beunruhigend liest, trägt mehrere kraftvolle und positive Komponenten in sich – die wichtigste: Die Schweiz hat alles, was es braucht, um auch mit dem Finanzplatz in Zukunft ganz vorne mitzuspielen, an der Komposition und der Mixtur der Ingredienzien muss allerdings noch eher kräftig geschraubt werden. Mit anderen Worten: Der Fisch ist da, die Butter ist da, nur die Zusammensetzung stimmt noch nicht, deshalb: Butter bei die Fische. Jetzt. Weil Zögerlichkeit einen Preis kostet, den wir uns nicht leisten können.

Die Autoren

Christina Kehl und Urs Haeusler sind Gründungsmitglieder von Swiss Finance Startups (SFS), dem FinTech-Verband, der den Wandel auf dem Finanzplatz Zürich aktiv vorantreibt. Kehl ist Geschäftsführerin des Verbandes, zuvor war sie Mitgründerin und operative Chefin von Knip, dem ersten mobilen Versicherungsmakler. Haeusler sitzt im Vorstand von Swiss Finance Startups und ist CEO von Deal Market, eine Plattform und ein Marktplatz für Startups und Investoren. Stefan Eiselin ist Wirtschaftsredaktor des Tages-Anzeigers.

Artikel in voller Länge

Alle drei Artikel sind bemerkenswert – und lesenswert. Die Autoren kommen, mit unterschiedlichen Betrachtungswinkeln, zu ähnlichen Ergebnissen.

Christina Kehl in Finanz und Wirtschaft: "Finanzplatz 4.0 – Es fehlt an digitaler DNA"

Stefan Eiselin im Tages-Anzeiger: "Wo ist das Jungblut der Schweizer Wirtschaft?"

Urs Haeusler in Revolution Banking: "Alle sprechen von Revolution – Wo bleibt der Aufruhr!?"

Stichworte zum Thema im Lexikon: FinTech | Digitale Transformation

MoneyToday-News teilen