Crypto World Zug

Der Versuch einer Entmystifizierung des Blockchain Hypes

Entmystifizierung der Blockchain
Bild: francescoch | Getty Images

Das Versprechen der ersten Crypto World Zug Conference: "The World of Crypto for Everyone! In plain Englisch." – Versprechen eingelöst? Patrick Comboeuf hat Puls genommen und mitgeschrieben.

Letzte Woche pilgerte eine gute Hundertschaft von Crypto-Interessierten ins Heartland des Crypto Valley nach Zug.

Neben einigen Veteranen (einfach zu erkennen am wichtigen Gesichtsausdruck und dem reflexartigen Handheben bei Fragen wie: “Wer war schon bei einem ICO dabei?”), fanden sich an der Crypto World Zug auch auffällig viele Frisch-Bekehrte oder schlicht neugierige Menschen im Publikum. 

Die Crew, rund um die gleichermassen charmant wie kompetent durch den Anlass führenden Luca Ecari, Bart Eggermont, Marcos Torres und Marcos Benítez Rubianes, hat einen hohen Aufwand betrieben, um dem Anspruch des Veranstaltungsmottos ("The World of Crypto for Everyone") wirklich gerecht zu werden. 

Ist es den Organisatoren gelungen, den Blockchain Hype zu entmystifizieren?

Für eilige Leser die Antwort in der gebotenen Kürze: Jain. Für alle anderen hier ein paar Reflexionen zu den Referaten und dem Diskurs mit den Teilnehmern.

Die Organisatoren wählten dazu ein durchaus inspirierendes Format, welches den Spannungsbogen fast über die gesamten zwei Konferenztage aufrecht zu erhalten vermochte. Dass dies gelungen ist, war alleine schon aufgrund der Heterogenität der Teilnehmer, aber natürlich auch aufgrund der Breite des Themenspektrums, alles andere als selbstverständlich.

Eine Erkenntnis ist allen Anwesenden gemein: Es braucht eine positive Bühne für nutzenstiftende Elemente und disruptive Kräfte der Branche. Nur dann werden die Bad News wie schmelzende Kryptokurse, ICO Scams, die Inflation an Forks oder die unschöne Konsolidierung von Minern, ihre vermeintlich toxische Wirkung verlieren.

The Basics: Die Trust-Maschine tritt gegen das Establishment an

German Ramirez von The Relevance House und Stefan Klauser von der ETH (die Hochschule in Zürich, nicht Ethereum) machten mit ihren Keynotes einen hervorragenden Job. 

Als Einheizer vermochten sie die Zuhörer mit launigen Fakten und auch mit durchaus markigen Statements auf die Herausforderungen und Verheissungen der Blockchain-Welt einzustimmen.

The Meta Use Cases: Die (vermeintliche) Disruption der Finanzindustrie

Stefan Klauser wagte als Lead Strategist der akademischen Initiative Finance 4.0 einen interessanten Ausblick in die Zukunft des Finanzwesens. Der Tessiner Luiis Franceschi, Co-Founder der Cryptobank LAPO, brach eine Lanze für die Token Economy, die er als Treiber sieht für vielfältige neue Geschäftsmodelle rund um Interaktion zwischen und dem Austausch von Gütern, Werten sowie Diensten.

Bernd Lapp, CEO der Old School, erinnerte daran, dass wir noch ganz am Anfang der Entwicklung der dezentralen Ära stehen und illustrierte dies plausibel anhand der Evolution des Internets. Spannend war auch sein Exkurs zu digitalen Plattformen und deren Blockchain-Pendants, wie zum Beispiel Twitter und Peepeth. Es ist also beileibe nicht so, dass nur etablierte Organisationen sich vorsehen müssen.

Ein wenig trockener aber nicht weniger interessant: der Block von My Multi Miner zu Trends und den rechtlichen Aspekten rund ums Mining, dem Treibstoff der Blockchain. Nerd-Alarm herrschte bei der Truppe von D-Tube und Steem, welche das durch Skandale und Fakenews mehr als nur etwas angekratzte Image von etablierten Social Media-Plattformen zum Anlass nehmen, diese mit einer demokratischeren Verteilung der Profite da anzugreifen, wo es wohl am meisten schmerzt.

Der Glaube, dass "anders" am Anfang von "besser" steht

Stellvertretend für das sehr gemischte aber unisono positiv in die Blockchain-Zukunft blickende Speaker Lineup, unterstrich Leeor Groen von Blockchain Valley Ventures:
 

Die grösste Blockchain-Innovation ist wohl der tiefe Glaube, dass wir die Dinge auch anders machen können

Zum Abschluss des langen aber kurzweiligen ersten Tages der Konferenz entführte José Aguinaga die Gäste im Saal in die Geschichte der byzantinischen Generäle, welche bei der Belagerung des heutigen Istanbul schon vor mehreren hundert Jahren die Grundlagen des in der Blockchain zentralen Konsensus-Algorithmus’ validierten.

Use Cases und Präsentationen

Tag 2 der Veranstaltung bot Raum zur Vertiefung von Use Cases in ganz unterschiedlichen Branchen. Im Vergleich zu anderen einschlägigen Veranstaltungen war das Bemühen aller Redner auffällig, auf allzu dreiste Sales Pitches zu verzichten. Das Publikum dankte es mit einer Vielzahl von spannenden Fragen und da und dort auch mit wohlmeinendem Feedback. 

Gig Economy, eID, Smart Logistics und James Dean für Affluent Customers – Blockchain heisst Vielfalt

Aus den kompakt gehaltenen Präsentationen zu den vielfältigen Use Cases sind besonders hervorgestochen: die Ausführungen zur Freelancer-Plattform Unitalent, die intelligenten Logistikkonzepte von Modum bzw. Smart Containers (IoT-veredelte Logistik 2.0-Lösungen mit HW-Sexappeal) sowie Tend, welches die Sharing Economy zur Affluent-Zielgruppe bringt. Das Fintech-Startup von Marco Abele, ehemaliger Digitalchef der Credit Suisse, setzt auf Legal Engineering und Tokenization, um Eigentum (und Nutzung) wertvoller, aber weitgehend illiquider Vermögenswerte, wie zum Beispiel ein Porsche 956, der einmal James Dean gehörte oder eine Villa am Comersee, auf bis zu 20 Teilhaber auszudehnen.

Ecoystem-Ansätze und Offchain-Konzepte als Brücke zu etablierten Unternehmen?

Noch herrscht an einigen Stellen des Blockchain-Universums das “Wir gegen das Establishment”-Mantra vor. Dabei wäre doch gerade angesichts der breiten Phalanx an Medienberichten, welche die Szene gerne in die Ecke der raffgierigen Spekulanten und des organisierten Verbrechens stellen, ein Schulterschluss mit der Realwirtschaft dringend angezeigt.

Von der ganzen Branche noch etwas vernachlässigt wird der B2B-Bereich. Auch Intercompany-Anwendungen im Treasury und bei Transferverrechnungen, welche zum Beispiel bei Microsoft über die Blockchain angeblich mitgeholfen haben, über 1 Million Arbeitsstunden einzusparen, stehen zu selten im Schweinwerfer-Licht. Die dafür nötigen Ecosystem-Überlegungen, vor allem aber auch die Auseinandersetzung mit Offchain-Konzepten wie dem Lightning Network (LN), fanden dieses Mal noch keinen adäquaten Platz auf der Agenda.

Trotz grosser Aufmerksamkeit innerhalb der Bitcoin Community kocht das LN-Projekt noch auf kleiner Flamme, allerdings mit steilem Wachstum in den Nodes. Als architektonische Erweiterung des Bitcoin-Netzwerkes steht Lightning im Ruf, Skalierungs- und Geschwindigkeitsengpässe von Bitcoin (und anderen Kryptowährungen) zu lösen. Es wäre interessant zu erörtern, wie etablierte Unternehmen und die Akademik das Potenzial dieser Technologie einschätzen – oder ob gar schon praktische Erfahrungen damit gesammelt wurden. Hoffentlich kann hier die neu gegründete Lightning Alliance, ein Zusammenschluss von interessierten Individuen und Blockchain-Veteranen helfen, das Thema prominenter voranzutreiben.

Auf der Seite von Hochschulen und Universitäten wiederum fehlt ein stringentes Bekenntnis, Kryptowährungen und Blockchain für Anwender und Unternehmen mit geschäftsrelevanten Initiativen (und konkreten Ausbildungsprogrammen) zu unterstützen.

Das finale Fazit in Kurzform

Schon klar, eine 2-Tages-Konferenz im beschaulichen Herzen des Crypto Valley ist für all diese Themen schlicht nicht genug – immerhin aber ein verheissungsvoller Anfang, auch deshalb:

Die Organisatoren der Crypto World Zug haben es geschafft, ein rundes und gehaltvolles Programm zusammenzustellen und zu präsentieren – ein Kudos-Coin for that.

Der Autor: Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf, Associate Editor bei MoneyToday.ch, ist einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz. Mehrere Wochen im Jahr verbringt er im Silicon Valley, dem Zentrum der digitalen Welt.

Seit 2013 engagiert am Institute for Digital Business der HWZ, unter anderem als Director of Studies für den Lehrgang CAS Digital Leadership. Als Vorstandsmitglied der Fintechrockers sowie als Partner der Crypto Advisory Group unterstützt er etablierte Unternehmen sowie aufstrebende Startups dabei, ihre eigene Geschäftstätigkeit friktionsfrei in digitalen Ökosystemen und in der Blockchain zu verankern.

Als früherer CTO bei Ifolor, Head of Digital Experience bei Swiss Life und als Leiter Digital Business bei den SBB, war Patrick Comboeuf federführend verantwortlich für eine Vielzahl digitaler Initiativen. Er teilt sein Wissen gerne sozialmedial auf LinkedIn und Twitter, zudem ist Patrick ein gefragter Keynote Speaker, Moderator und Panelist auf Konferenzen im In- und Ausland.